LZPD Podcast-E Anlage 17 Führung in der digitalen Zusammenarbeit

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LZPD Podcast-E Anlage 17 Führung in der digitalen Zusammenarbeit

Anlage 17: Führung in der digitalen Zusammenarbeit

Diese Anlage geht auf die spezielle Herausforderung des Führens in der digitalen Zusammenarbeit ein und stellt die verschiedenen Arbeitsformen wie beispielsweise Homeoffice oder Telearbeit dar. Es werden die Herausforderungen und Auswirkungen näher betrachtet und konkrete Handlungsempfehlungen anhand von Checklisten zur Verfügung gestellt.  

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  1. Einleitung 

Führung in der digitalen Zusammenarbeit ist ein hochaktuelles Thema. Auch wenn es in der Polizei NRW in einem geringen Anteil immer schon Führung in der digitalen Zusammenarbeit (Telearbeit) gegeben hat, beschleunigte die Corona-Pandemie den Wandel zu einer flexiblen, mobilen und digitalen Arbeitswelt erheblich. Führung in der digitalen Zusammenarbeit kommt seitdem innerhalb der Polizei NRW in unterschiedlichsten Formen und Ausprägungen vermehrt vor. Dabei ist unabhängig von Form und Ausprägung eine Fokussierung des Führungsverhaltens auf die Kommunikation erforderlich. Denn diese muss in jeder Hinsicht auf digitale Kommunikationsmittel umgestellt werden. Digitale Kommunikationsmittel sind heute essenziell für Führungskräfte, um in Verbindung mit ihren Mitarbeitenden zu stehen. Je geringer der face-to-face Kontakt, desto intensiver müssen die Herausforderungen durch die Führungskräfte berücksichtigt werden.1 Neben einer andersartigen Kommunikationsfähigkeit müssen aber auch die sozialen Fähigkeiten und das Vertrauen geschärft werden, um die Verbindung zu den Mitarbeitenden aufrecht zu erhalten.2 Weitere relevante Herausforderungen sind darüber hinaus die organisatorischen (Vorab-)Regelungen, die Technik und die Zielüberprüfung. Mobile Arbeit bedingt in der Regel eine Vielzahl zusätzlicher externer Einflussfaktoren, mit denen sich die Führungskräfte und Mitarbeitenden gleichermaßen auseinandersetzen müssen. Essenziell sind zudem die Autonomie, Motivation und Selbststeuerung der Mitarbeitenden. Bei Führung in der digitalen Zusammenarbeit kommt es vor allem auf die Kompetenzen der Führungskräfte an, die diesen Herausforderungen gerecht werden müssen. 

2. Begriffsbestimmungen 

2.1 Führen in der digitalen Zusammenarbeit Führung in der digitalen Zusammenarbeit beschreibt zum einen die Führung der Mitarbeitenden, die mobil arbeiten, zum anderen aber auch die Führung aus der mobilen Arbeit heraus. Durch die Nutzung von elektronischen Kommunikationsmitteln kann an verschiedenen Standorten zusammengearbeitet werden. 

2.2 Mobile Arbeitsformen in der Polizei NRW 

Die maßgeblich für die Polizei NRW geltenden Arbeitsformen Alternierende Telearbeit, mobile Arbeit sowie Homeoffice sind unter dem Begriff „mobile Arbeitsformen“ zu verstehen. Mobile Arbeitsformen stehen dabei nicht allen Organisationsbereichen der Polizei NRW in gleichem Maße zur Verfügung. Bestimmte Aufgaben erfordern auch weiterhin die Präsenz vor Ort. Die polizeiliche Einsatz- und Funktionsfähigkeit muss jederzeit gewährleistet sein. Es gilt die Attraktivität von Arbeitsbereichen, die zwingend körperliche Präsenz erfordern, durch eine zumindest teilweise Flexibilisierung zu erhalten. 

2.2.1 Alternierende Telearbeit 

Alternierende Telearbeit ist eine auf Informations- und Kommunikationstechnik gestützte Tätigkeit, die Beschäftigte teilweise zu Hause (häusliche Arbeitsstätte) und teilweise in der Dienststelle erbringen, wobei sie während ihrer häuslichen Arbeitszeit mit ihrer Dienststelle durch elektronische Kommunikationsmittel verbunden sind. 

2.2.2 Mobile Arbeit 

Mobiles Arbeiten bezeichnet die Arbeit an einem nicht dauerhaft hierfür eingerichteten und genehmigten Arbeitsplatz. Darunter fällt auch das sogenannte Homeoffice. Mobiles Arbeiten ist ausschließlich einsatz- oder anlassbezogen zulässig. Für die Polizei bedeutet dies konkret, dass die Arbeit mit dienstlichen Smartphones im Streifenwagen genauso darunterfällt wie das Bearbeiten von E-Mails auf Dienstreisen. Mobile Arbeit setzt dabei nicht zwingend die Verwendung von Informationstechnologie voraus. Homeoffice umfasst eine zeitweilige Tätigkeit im Privatbereich der Beschäftigten nach vorheriger Abstimmung mit dem Arbeitgeber, etwa unter Nutzung tragbarer IT-Systeme. Homeoffice bezieht sich dabei auf eine sporadische und anlassbezogene Arbeit von zu Hause, ohne dass die Beschäftigten über einen Telearbeitsplatz verfügen. 

  1. Herausforderungen und Auswirkungen - Was ist das Besondere an Führung in der digitalen Zusammenarbeit? 

Die Polizei NRW wird durch die flexible Ausgestaltung der zeitlichen und örtlichen Regelungen dem Zeitgeist und den Erwartungen von Mitarbeitenden an modernes Arbeiten gerecht. Diese Flexibilität und die damit verbundene Büroabstinenz erhöhen aber auch die Komplexität von Führung aufgrund eines gesteigerten Koordinations- und Organisationsaufwandes für Führungskräfte. Die daraus entstehenden Veränderungen der Arbeitskultur können zu Reibungseffekten führen. Dabei stehen die Führungskräfte häufig im „Spannungsfeld zwischen Ergebnisdruck und Verantwortung für die Einhaltung des Arbeitsschutzes und einer gesunden Arbeitsgestaltung“. Hier muss die Organisation eine Kultur der Kooperation, Kommunikation und Verantwortung der Mitarbeitenden zulassen und fördern. Nachfolgend werden explizite Herausforderungen und daraus resultierende Auswirkungen genannt und im weiteren Verlauf durch Handlungsempfehlungen (vgl. Abschnitt 4) ergänzt. 

3.1 Ziele, Erwartungen, Aufgaben und Zusammenarbeit 

Die digitale Zusammenarbeit bedeutet für alle am Prozess Beteiligten, dass die Zusammenarbeit über unterschiedliche geografische Standorte erfolgt. Damit können Führungskräfte das Verhalten ihrer Mitarbeitenden nicht regelmäßig beobachten. Dies erschwert die Wertschätzung der Arbeit, aber auch die Wahrnehmung von zielabweichender Leistung. Damit ist die Möglichkeit, unmittelbar gezielt einzugreifen und eine Rückmeldung zu geben, eingeschränkt. Die Ziele, Erwartungen und Aufgaben sind bei der digitalen Zusammenarbeit mit denen der Arbeit in Präsenz identisch. Durch die mobilen Arbeitsformen können jedoch Unsicherheiten entstehen, welche sich auf die Erwartungen bezüglich täglicher Arbeitsaufnahme, Erreichbarkeit und/oder zu erbringender Leistung beziehen. Diese Unsicherheiten werden dadurch verstärkt, dass Informationsdefizite und/oder ein Abbruch des Informationsflusses weniger schnell behoben werden können. Bei den Mitarbeitenden in den mobilen Arbeitsformen kann die Gefahr eines „gefühlten Leistungsdrucks“ entstehen, der sich in Konzentrationsstörungen, Druck und Stress auswirken (vgl. Abbildung 1) und in der Erwartungshaltung münden kann, immer erreichbar sein zu müssen. 

3.2 Behördliches Gesundheitsmanagement 

Die Arbeit in mobilen Arbeitsformen betrifft auch das Behördliche Gesundheitsmanagement (BGM) und somit auch Bereiche des Arbeitsschutzes. In der Folge entstehen bzw. bleiben verschiedene Arbeitsplätze für die Mitarbeitenden parallel bestehen – im Büro, mobil im Einsatz oder zu Hause im Homeoffice. Folglich wird es einen immer kürzeren Vorlauf zwischen dem Wechsel dieser Arbeitsplätze geben. Dies wird zukünftig die Komplexität der Anforderungen an das BGM und den Arbeitsschutz steigern. Dies geschieht in Erweiterung der heute bereits unterschiedlichen Ausprägungen, wie beispielsweise in der Schichtarbeit, im Außendienst oder der Büroarbeit. 

3.2.1 Arbeitsschutz 

Der Arbeitsplatz in der Dienststelle ist durch den Arbeitgeber vorgegeben. So sind arbeitsschutzbezogene Vorgaben und technische Voraussetzungen für das Büro und den Telearbeitsplatz klar geregelt. Im Homeoffice und erst recht bei mobiler Arbeit können diese Standards aktuell nicht gleichermaßen sichergestellt werden, da z.B. die Verwendung privater Hardware (Drucker, Maus, Tastatur, etc.) untersagt ist. Aber auch die technischen Voraussetzungen zur Durchführung einer Videokonferenz sind vielfach nicht vorhanden. Das Homeoffice als physischer Arbeitsort hängt von den individuellen Gegebenheiten der Mitarbeitenden ab. Das Arbeitszimmer sollte für die übertragenen Arbeitstätigkeiten geeignet und entsprechend ausgestattet sein. Darüber hinaus müssen sie den allgemeinen Arbeitsplatzanforderungen entsprechen. Das gilt vor allem in Bezug darauf, ob ein Raum vorhanden ist, in dem Mitarbeitende zu Hause ungestört arbeiten können und die ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes gegeben ist. Führung in der digitalisierten Arbeitswelt muss sich auch in den Schutzbereichen weiterentwickeln. Führung in der digitalen Zusammenarbeit erfordert ein BGM, dass die Menschen dort erreicht, wo sie sind und arbeiten. Führungskräfte müssen im Rahmen eines ortsunabhängigen BGM die Aspekte des Arbeitsschutzes neu denken und u. a. in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen. Prozesse sind zunehmend zu digitalisieren und online über Videointerviews durchzuführen. Eine Besichtigung der Arbeitsumgebung wird hingegen persönlich durchgeführt. Dank neuer Technologien kann eine in diesem Sinne differenzierte Bereitstellung von passenden Lösungen für alle Mitarbeitenden erfolgen. Dabei können diese Lösungen ohne Probleme auf die Besonderheiten der (Arbeits-) Umgebung des Einzelnen abgestimmt werden. So wird das Homeoffice zu einem weiteren, anders charakterisierten Ort, an dem unter Berücksichtigung der Vorschriften des Arbeitsschutzes gearbeitet und BGM Angebote genutzt werden können. 

3.2.2 Gesundheit 

Durch den hohen Digitalisierungsgrad können bei mobilen Arbeitsformen sowohl für die Mitarbeitenden als auch für die Führungskräfte zusätzliche Belastungen entstehen. Diese sind abhängig von persönlichen Eigenschaften und Erfahrungen. Jedoch sind die durch Technik bedingte Zunahme der Arbeitsgeschwindigkeit, die zunehmende Komplexität der digitalen Technik und das Gefühl der Überforderung für alle Beschäftigten besonders relevante Belastungsfaktoren. Die Gesunderhaltung und somit auch die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden sind maßgeblich von einem gesundheitsfördernden Klima abhängig. Sie sind eine wesentliche Herausforderung der Führung in der digitalen Zusammenarbeit und werden neben der Organisation maßgeblich von den Führungskräften beeinflusst. Dabei wird den Mitarbeitenden die Kompetenz zur Selbstdisziplin und Selbststeuerung nicht abgesprochen. Vielmehr liegt die Verantwortung, auf ihre Gesundheit zu achten, hauptsächlich bei ihnen selbst. Die Arbeit abseits des regulären Dienstortes bedeutet für die Führungskraft eine fehlende Informationsquelle in Bezug auf den Gesundheitszustand ihrer Mitarbeitenden. Die Führungskräfte können z.B. bei Überbelastung nicht unmittelbar eingreifen. Die interessierte Selbstgefährdung beschreibt ein Phänomen, dass sowohl Mitarbeitende als auch Führungskräfte betrifft. Dabei werden die Grenzen der Arbeitszeiten immer weiter ausgedehnt und Arbeits- und Privatleben immer weniger getrennt. Um Misserfolge im Beruf zu vermeiden oder aufgrund eines besonders ausgeprägten Engagements sind die betroffenen Personen auch nach Dienstschluss und im Urlaub erreichbar, erscheinen auch krank im Dienst und schränken ihre Freizeit aufgrund der beruflichen Belastung ein. Oftmals dauern die Arbeitstage der Personen über zehn Stunden.15 Dieses Phänomen ist kein Alleinstellungsmerkmal mobiler Arbeitsformen. Durch die Möglichkeiten der portablen technischen Ausstattung wird die Gefahr dieser „Entgrenzung“ jedoch deutlich verstärkt. Die möglichen negativen Auswirkungen von Entgrenzungseffekten und ständiger Erreichbarkeit in Verbindung mit digitaler Arbeit sind mitunter drastisch und reichen von Konzentrationsstörungen über Depressionen bis hin zum Burnout. Als Zoom Fatigue wird die Müdigkeit bzw. Erschöpfung beschrieben, die sich nach zahlreichen digitalen Besprechungen einstellt. Die Betroffenen leiden dabei unter dem Gefühl einer immer stärkeren Überforderung. Häufig oder lang durchgeführte OnlineBesprechungen können langfristig auch die Gesundheit und Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. 

3.3 Vertrauen und Kontrolle 

Ein regelmäßiger persönlicher Austausch sowohl unter den Mitarbeitenden als auch zusammen mit der Führungskraft fördert den Aufbau und Erhalt von Vertrauen. Gerade in der digitalen (Team-)Arbeit kommt dem Vertrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeitenden eine immense Bedeutung zu. Sie stellt die soziale Basis von Führung in der digitalen Zusammenarbeit dar. Dieses Vertrauen ist notwendig, um das Arbeitsgefüge koordinieren und steuern zu können. Denn durch die Digitalisierung und durch ein örtlich unabhängiges Arbeiten sind die Prozesse in der Organisation komplexer geworden. Damit Veränderungsprozesse gemeinsam gestaltet und Unsicherheiten überbrückt werden können, müssen die Mitarbeitenden den Führungskräften dieses Vertrauen genauso entgegenbringen. Besonders bei mobiler Arbeit wird von den Mitarbeitenden verlangt, sich bezüglich des Zeitmanagements zunehmend selbst zu führen und weiterzuentwickeln. Mangels unmittelbarer niederschwelliger Rückkoppelungsmöglichkeiten mit einer Kollegin oder einem Kollegen im Büro werden bei mobiler Arbeit häufiger selbständige Entscheidungen getroffen und verantwortet. Eine kontinuierliche Prozesskontrolle steht dabei in Konkurrenz zum Vertrauen und gibt den Mitarbeitenden das Gefühl des Misstrauens in die Leistung. Deshalb muss, um Vertrauen aufbauen zu können, das prozessbezogene Kontrollverhalten von Führungskräften notwendigerweise abgebaut werden. Die Leistung muss jedoch auch gemessen werden können. Bei Führung in der digitalen Zusammenarbeit ist dies schwieriger. Es erfordert klare Regeln. 

3.4 Kommunikation und Interaktion über digitale Medien 

Neben dem Vertrauen bestimmen die Kommunikation und Interaktion zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften den Erfolg der Organisation maßgeblich. Aufgrund der fehlenden Präsenz und zeitlich häufig nicht synchronen Arbeitszeiten ist die Kommunikation bei mobiler und digitaler Zusammenarbeit eingeschränkt. Gleichzeitig werden andere Anforderungen an den Kommunikations- und Interaktionsprozess gestellt. Digitale Besprechungen sind durch eingeschränkte Kommunikationskanäle und den verminderten informellen Austausch gekennzeichnet. Der Fokus liegt vor allem auf der Informationsweitergabe. Sie erfordern eine hohe Konzentration und Aufmerksamkeit seitens der Besprechungsteilnehmenden. Die Informationsaufnahme erfolgt ausschließlich über den Bildschirm oder das Telefon. Je nach Größe der Besprechung sind viele Teilnehmende bei einer Videoschaltkonferenz nur in einem kleinen Fenster sichtbar, viele gar nicht. Dadurch kann die Körpersprache, z. B. Mimik, Gestik und Stimmlage nur eingeschränkt wahrgenommen werden. Bei der Durchführung einer Telefonschaltkonferenz ist dies nochmals deutlich reduziert. Diese veränderten Rahmenbedingungen der Kommunikation in der digitalen Zusammenarbeit sind eine der bedeutendsten Unterschiede im Vergleich zur Kommunikation in Präsenz. Dies gilt sowohl für die eingeschränkten non-verbalen Kommunikationsmöglichkeiten als auch für das Kommunikationsmedium gleichermaßen. Die „Media Richness Theory“ verdeutlich den Informationsgehalt unterschiedlicher Medien. Das persönliche Gespräch weist demnach eine höhere Informationsdichte auf als ein schriftliches Dokument, da z. B. die Stimmlage, Mimik und Gestik ebenfalls Informationen übermitteln. Darüber hinaus sind Nachfragen möglich. Demnach ist das Erkennen von Emotionen in einer Videokonferenz leichter möglich als in einer reinen Konversation über E-Mail. Daraus resultierend müssen in Abhängigkeit des Kommunikationsmediums andere Wege gefunden werden, um Emotionen und Stimmungen auszudrücken. Das Fehlen von Mimik und Gestik, aber auch der fehlende Small-Talk und das eingeschränkte Pflegen von Beziehungen sind beispielhaft für die zwischenmenschlichen Belastungsfaktoren in einer digitalen Besprechung. Darüber hinaus wird man (gefühlt) nicht nur ständig von allen weiteren Teilnehmenden beobachtet, sondern sieht sich ggf. zusätzlich permanent selbst auf dem Bildschirm. Diese selbstfokussierte Aufmerksamkeit wirkt ebenfalls belastend. Die zunehmende Versachlichung der Sitzungen stellt einen weiteren organisatorischen Belastungsfaktor dar. Die Nüchternheit im Sinne zu sachlicher Besprechungen belastet Mitarbeitende zunehmend. Zudem ist es wichtig zu wissen, dass rein digital erbrachte Leistungen grundsätzlich kritisch eingeschätzt und bewertet werden.23 Hierauf weisen die Ergebnisse von Studien im Bereich von digital durchgeführten Auswahlverfahren hin. 

3.5 Anforderungen und Kompetenzen

Die Führung in der digitalen Zusammenarbeit fordert wie die Führung in Präsenz gleichermaßen 

· Kommunikationsfähigkeit, 

· Kooperationsfähigkeit, 

· Kontaktfreudigkeit, 

· Integrationsfähigkeit, 

· Transparenz, 

· Selbstreflexion, 

· Durchsetzungsvermögen, 

· Empathie und 

· Medienkompetenz. 

Die Umsetzung in der digitalen Zusammenarbeit ist jedoch deutlich erschwert. Die Fokussierung auf die sozialen Kompetenzen macht Führung in der digitalen Zusammenarbeit besonders herausfordernd. 

4. Handlungsempfehlungen 

4.1 Ziele, Erwartungen, Aufgaben und Zusammenarbeit Die Grenzen, in denen die Mitarbeitenden ihre Arbeit selber gestalten können, sind gemeinsam und eindeutig zu formulieren. Dadurch wird grundsätzlich Motivation und Engagement gefördert. Der Fokus ist auf Zielvereinbarungen und Zielüberprüfungen zu richten. Diese sind transparent und nachvollziehbar zu gestalten Sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeitende müssen für das Phänomen des gefühlten Leistungsdrucks sensibilisiert werden. Dadurch können die eigene Selbstreflexion gestärkt und negative Verhaltensweisen abgestellt werden. Die Behördenkultur sollte vertrauens- und ergebnisorientiert sein und die Eigenmotivation der Mitarbeitenden in den Fokus nehmen. Dabei sind die Erwartungen an die Leistung der Mitarbeitenden klar zu formulieren. Die Wertschätzung für die Leistung in der mobilen Arbeitsform sollte durch den fehlenden sozialen Austausch bewusster transportiert und von den Führungskräften aktiv gelebt werden. Die Ziele und Aufgaben des Teams, aber auch die Rollen der Akteure, die Organisation der Aufgabenbereiche und Regeln zur Kommunikation und Zusammenarbeit sind gemeinschaftlich zu erarbeiten und zu formulieren. Die Erreichbarkeiten während der Dienstzeit sind grundsätzlich sicherzustellen. Dieser Prozess sollte als Grundlage durchgeführt werden, da selbst sogenannte „Selbstverständlichkeiten“ zu Irritationen führen können. Die Checkliste (Anlage) soll bei diesem Prozess unterstützen. 

4.2 Behördliches Gesundheitsmanagement 

4.2.1 Arbeitsschutz 

Grundsätzlich sind alle IT-Verfahren und Arbeitsprozesse in der Alternierenden Telearbeit und im Homeoffice möglich. Ausnahmen werden per Erlass geregelt. Die Einhaltung arbeitsplatzbezogener Rahmenbedingungen kann im Rahmen der Kontrolle der arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen und der Informationssicherheit überprüft werden. Auch wenn die Mitarbeitenden grundsätzlich für ihre Gesunderhaltung selber verantwortlich sind, ist durch die Führungskräfte besonders auf die Einhaltung dieser Rahmenbedingungen zu achten und bei Nichtbeachtung entsprechend zu intervenieren. Die Notwendigkeit und die daraus resultierenden Vor- und Nachteile der per Erlass geregelten Maßgaben sind mit den Mitarbeitenden gemeinsam zu besprechen. 

4.2.2 Gesundheit 

Eine starke Verschmelzung von Dienst- und Privatleben wird - insbesondere bei der Arbeit im Homeoffice und der Telearbeit - nicht gänzlich zu vermeiden sein. Dabei gilt es sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeitenden für die Gesundheitsgefahren durch die Entgrenzung zu sensibilisieren und zu einer klaren Trennung von Privatem und Dienstlichem zu befähigen. Denn gesunde Führung beginnt bei der eigenen Person. Gute Führungskräfte nehmen sich ausreichend Zeit, auch die eigene Gesundheit zu fördern und zu schützen. Es bedarf einer verlässlichen Führung, die dabei als Vorbild auftritt und die hohe Priorität gesundheitsorientierten Verhaltens deutlich macht. Nur wer in der Lage ist, Risikofaktoren bei den Mitarbeitenden zu erkennen, kann sensibel auf Anzeichen von Überbelastung reagieren und gesundheitsrelevante Rahmenbedingungen festlegen. Eine professionelle Einweisung der Mitarbeitenden in die mobilen Arbeitsformen und regelmäßiges Feedback durch die Führungskräfte kann zu einer solchen Sensibilisierung führen und sowohl das Stresserleben reduzieren als auch die Fähigkeit zur Vereinbarkeit von privaten und dienstlichen Rollen verbessern. Zur Reduzierung der individuellen Belastungsfaktoren ist ein Verständnis für eine gesunde Pausenkultur und eine angemessene Besprechungsdauer notwendig. Durch den Einbau regelmäßiger Pausen kann Stress reduziert und einer Ermüdung (vgl. Abschnitt 3.2.2, Zoom Fatigue) entgegengewirkt werden. Dabei ist darauf zu achten, Pausen in kürzeren Intervallen als bei einer Besprechung in Präsenz einzulegen Darüber hinaus muss dem Wissenstransfer zwischen erfahrenen und weniger digitalaffinen Mitarbeitenden Bedeutung zugemessen werden. Vor allem der Erwerb von Selbstmanagementkompetenzen, eine klar geregelte Kommunikation (vgl. Abschnitte 3.4 und 4.4) und die gegenseitige kollegiale Unterstützung bei fehlenden digitalen Kompetenzen können Stress reduzieren. 

4.3 Vertrauen und Kontrolle 

Führungskräfte müssen ihren Mitarbeitenden losgelöst von den persönlichen Lebensumständen einen Vertrauensvorschuss gewähren, der sich, wenn er einmal in Gang gesetzt ist, selbst verstärkt. Hierzu sind die Formulierung und der Austausch von gegenseitigen Erwartungen notwendig. Durch die Gewährung eines erhöhten Handlungsspielraums wird Wertschätzung ausgedrückt und Motivation und Kreativität innerhalb des Teams gefördert. Dem gegenseitigen Kennen(lernen) und dem Austausch von gegenseitigen Erwartungen kommen eine zentrale Bedeutung zu. Mitgliedern des eigenen Teams wird mehr vertraut, denn die Zugehörigkeit zu einer Gruppe wirkt sich förderlich auf Vertrauen aus. Dabei fördert die Vertrautheit mit der Situation oder den Interessen des Gegenübers das Vertrauen innerhalb der Gruppe. Um einer zusätzlichen Belastung der Führungskräfte entgegenzuwirken, muss die Ergebniskontrolle, die die Arbeitsergebnisse und weniger die aufgewendete Arbeitszeit oder Arbeitsprozesse betrachtet, in den Mittelpunkt gestellt werden. Digitale prozessbezogene Kontrollmechanismen sollten grundsätzlich äußerst sparsam und nur in Absprache mit den Mitarbeitenden eingesetzt werden. 

4.4 Kommunikation und Interaktion über digitale Medien 

Gute Führung in der digitalen Zusammenarbeit zeichnet sich durch eine intensive, gut gepflegte Kommunikation über die unterschiedlichen Medien aus. Nur so sind beiderseitiges Feedback, Lob und Reflektion im Hinblick auf die aktuellen Aufgaben möglich. Hierfür gilt es ausreichende Zeiträume einzuplanen. Kommunikation ist ein maßgeblicher Erfolgsfaktor und wird in seiner Wirkung weitestgehend unterschätzt. Digitale Besprechungen eignen sich sehr gut für einen informativen Austausch, kommen jedoch an ihre Grenze, wenn es um die gemeinsame Erarbeitung von Arbeitsraten geht. Hier sollten entweder Unterbrechungen für weitere Bearbeitungsschritte genutzt oder die Veranstaltung von vorneherein in Präsenz durchgeführt werden. Die Gründe für eine Online-Besprechung sind jedoch vielfältig und immer individuell zu bewerten. Die Wahl des entsprechenden Kommunikationsmediums ist unter Berücksichtigung der „Media Richness Theory“ (vgl. Abbildung 2) an dem entsprechenden Thema und der Größe des Teams auszurichten.30 Um nicht nur Missverständnissen, sondern auch Konflikten vorzubeugen, muss Klarheit über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Medien bestehen. Hybride Besprechungsformen, bei denen Teilnehmende mittels unterschiedlicher Medien an der Besprechung teilnehmen, sind möglichst zu vermeiden. Im Idealfall nehmen alle Teilnehmenden mittels desselben Mediums an der Besprechung teil. Sollte es dennoch zu einer solchen Form der Besprechung kommen, sind die Rahmenbedingungen an den „schwächsten“ Teilnehmenden auszurichten. Die Strukturierung von sich wiederholenden Besprechungen sind bezüglich der Frequenz und Dauer an die Bedürfnisse der Organisation anzupassen. Um eine möglichst starke Einbindung aller mobil arbeitenden Mitarbeitenden zu erreichen, ist eine kurze Morgenbesprechung ideal. Diese sollte sich im Idealfall auf max. 15 Minuten beschränken. Dadurch wird ein täglicher kurzer Austausch mit allen Mitgliedern der Organisationseinheit als Basiskommunikation gewährleistet. Da die Kommunikation über Telefon und Videokonferenzsystem eine Informationsbarriere darstellt, müssen sensible Themen wie Lob und Kritik klar kommuniziert werden. Konfliktgespräche sind grundsätzlich in Präsenz durchzuführen. Kommunikation muss aktiv gestaltet werden. Die Kommunikationskompetenzen müssen durch die Führungskräfte (neu) entwickelt werden, da besonders bei Videoschaltkonferenzen nicht alle Mitarbeitenden gleich und nicht aus eigenem Antrieb heraus kommunizieren. Hier liegt es bei den Führungskräften, alle Teilnehmenden gleichermaßen mit einzubeziehen. Eine ausgeprägte Kommunikationskompetenz und effektives Selbstmanagement fördern nicht nur die Leistungsfähigkeit und die Selbstmotivation, sondern reduzieren auch das Stresserleben. 

4.5 Anforderungen und Kompetenzen

An die Führung in der digitalen Zusammenarbeit werden besondere Anforderungen gestellt. So gilt es zum Beispiel im Gegensatz zur Führung in Präsenz häufiger und klarer zu kommunizieren. Auch die Beziehungspflege zu den Mitarbeitenden ist zeitintensiver und dadurch aufwendiger. Dies sind grundsätzlich keine neuen Anforderungen an Führung, die in der Polizei NRW erst noch erlernt werden müssten. Jedoch ist das Verständnis für die Notwendigkeit und damit die Fokussierung auf diese sozialen Kompetenzen für den Erfolg der Führung in der digitalen Zusammenarbeit neu. Es kommt entscheidend auf die Bereitschaft der Führungskraft an, sich mit diesen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Den Führungskräften können durch Mentoring, Coaching, Supervision, kollegiale Beratung sowie im Rahmen des Mitarbeitergesprächs und des (mehrdimensionales) Führungsfeedbacks persönliche Verbesserungspotentiale aufgezeigt werden. Darüber hinaus werden beim Landesamt für Aus- und Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW (LAFP) führungsspezifische Fortbildungen, aber auch Fortbildungen in den Bereichen Stressbewältigung und BGM angeboten5 Die Fortbildungsakademie des Ministeriums des Innern des Landes NRW in Herne (Mont-Cenis) bietet zudem Seminare an, die sich speziell mit den Besonderheiten der „digitalen Führung“ beschäftigen. 

4.6 Zusammenhalt im Team 

Um den Zusammenhalt auszubauen, zu bewahren und dadurch die Zusammenarbeit positiv zu beeinflussen braucht es regelmäßige analoge Präsenztreffen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden sowie der Mitarbeitenden untereinander. Auf Distanz arbeitende Teams profitieren dabei vom analog aufgebauten Vertrauen. Für alle Teams ist es wichtig, sich untereinander zu kennen und Wissen übereinander zu besitzen sowie sich über Regeln, Routinen und Wege zur Problemlösung einig zu sein. Das „Wir-Gefühl“, gemeinsame Ziele, Rollen und Verantwortlichkeiten sind genauso wichtige Elemente (vgl. Abschnitte 3.1 und 4.1) wie Normen und Regeln, die Interaktion untereinander und der Wissenstransfer. Der Einarbeitung neuer Mitarbeitenden durch ein gezieltes Onboarding kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Es ist vor allem Aufgabe der Führungskräfte die Teamaktivitäten zu koordinieren und zu moderieren. Dabei gilt es darauf zu achten, z. B. durch einen täglichen Besprechungsrhythmus, aufkommende Probleme zu erkennen und erkannten Problemen frühestmöglich zu begegnen. Digitale Pausenzeiten können die informelle Kommunikation stärken. Vor allem für Organisationseinheiten mit einem hohen Anteil an mobiler und Teamarbeit ist dies von Bedeutung. Zu berücksichtigen ist, dass dies aufgrund der zusätzlich aufzubringenden Zeit vor einem Bildschirm häufig eine zusätzliche Belastung darstellen kann. 

5. Fazit 

Mobile Arbeitsformen werden innerhalb der Polizei NRW in unterschiedlicher Ausprägung und Form genutzt. Die Anforderungen an die Führungskräfte sind dadurch entsprechend unterschiedlich stark ausgeprägt. Aufgrund der Büroabstinenz kommt es aber maßgeblich auf die Kommunikation und Interaktion zwischen den Mitarbeitenden und den Führungskräften an. Denn sowohl die Kommunikation als auch die Interaktion sind es, die den Erfolg der Organisation ausmachen. Die Führung in der digitalen Zusammenarbeit macht dabei eine Verschärfung des Fokus der Führungskräfte auf die menschen- und zielorientierte Führung erforderlich.

Anmerkungen zu Fußnoten, Abbildungen und Anlagen

Fußnoten: Für die Audiofassung haben wir uns entschieden, auf Fußnoten weitestgehend zu verzichten. Zu finden sind alle Literaturhinweise, Querverweise und Quellenangaben vollständig in der schriftlichen Fassung.

Abbildungen: Abbildungen sind nur in der schriftlichen Fassung zu finden: 

Anlagen: Zu einigen Themen gibt es zusätzliche Anlagen z.B. Informationsbögen oder Vorlagen für Vereinbarungen. Diese sind nur in der schriftlichen Fassung zu finden.

Die schriftliche Fassung können Sie hier aufrufen.  

 

In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110