LZPD Podcast-E Anlage 15 Demokratiefeindliche Erscheinungsformen

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LZPD Podcast-E Anlage 15 Demokratiefeindliche Erscheinungsformen

Anlage 15: Demokratiefeindliche Erscheinungsformen 

Die Anlage 15 vertieft die Handlungsempfehlung zum Umgang mit demokratiefeindlichen Erscheinungsformen. Es werden die verschiedenen Erscheinungsformen beschrieben sowie fördernde Faktoren für die Entwicklung von extremistischen Tendenzen und Indikatoren extremistischer Tendenzen erläutert. Zudem werden grundsätzliche Führungsleitlinien und konkrete Handlungsempfehlungen für verschiedene Ausprägungen demokratiefeindlicher Erscheinungsformen aufgeführt. 

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  1. Einleitung 

Demokratiefeindliche Einstellungen von Beschäftigten der Polizei haben das Potential, die Funktionsfähigkeit der Polizei als wichtige Institution im demokratischen Rechtsstaat zu untergraben sowie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger nachhaltig zu beschädigen. Bezogen auf Beamtinnen und Beamte widersprechen sie dem Dienst- und Treueverhältnis, das sich aus den §§ 7 und 33 Beamtenstatusgesetz ergibt und insbesondere dem Diensteid des Landes NRW, in dem es heißt: „Ich schwöre, dass ich […] Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen […] werde“. Auch Regierungsbeschäftige fungieren als Botschafter der demokratischen Institution Polizei und unterliegen gemäß § 3 Absatz 1 Satz 2 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder der Bekenntnispflicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Daher ist es für jeden Polizeibeschäftigten Voraussetzung und Pflicht zugleich, aktiv für die demokratische Grundordnung und deren Voraussetzungen einzutreten. Artikel 1 Grundgesetz (GG) kommt dabei grundlegende und herausragende Bedeutung zu, von hier leitet sich die primäre Aufgabe jeden staatlichen Handelns ab: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Der Achtungsanspruch eines jeden Menschen, der sich hieraus ableitet, spiegelt sich in den Partizipations-, Anspruchs-, Abwehr- sowie Freiheits- und Gleichheitsrechten des GG und damit auch in den entsprechenden Menschenrechten wider. Offenheit und Empathie für Menschen in ihren unterschiedlichen Lebenskontexten sowie ein positiver Umgang mit Diversität sind daher wesentlich für die polizeiliche Arbeit. Sie besteht im Kern aus Kontakten und Interaktionen mit anderen Menschen. Dies gilt für das Handeln in der Öffentlichkeit genauso wie im innerdienstlichen Bereich. Rassismus, menschenverachtende Einstellungen und Ideologien der Ungleichwertigkeit sind mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar. Sie sind geeignet, das friedliche Zusammenleben der Gesellschaft zu gefährden sowie dem Ansehen der Polizei im Innen- und Außenverhältnis nachhaltig zu schaden. Führungskräfte haben hier die besondere Verantwortung, demokratische Werte zu leben, demokratiefeindliche Erscheinungsformen zu erkennen, diesen frühzeitig entgegenzutreten und eine offene Gesprächskultur zu unterstützen. Durch ihre Vorbildfunktion stärken sie das Demokratiebewusstsein und fördern die demokratische Resilienz. Diese Anlage bietet Führungskräften Handlungsempfehlungen, um 

· eine Organisationskultur zu schaffen, in der Werteprägung und -entwicklung im Sinne der Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ein lebendiger Prozess sind, 

· eine offene Gesprächskultur zu unterstützen, 

· demokratiefeindliche Einstellungen und Verhaltensweisen frühzeitig zu erkennen,

· Handlungssicherheit aufzubauen, die niederschwellige und abgestufte Reaktionen ermöglicht, 

· Handlungsabläufe zu gewährleisten, die transparent und nachvollziehbar sind sowie alle erforderlichen Maßnahmen und Beteiligungen berücksichtigen. 

Führungskräfte müssen die Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung kennen und sich für die damit verbundenen Werte einsetzen. Sie müssen über Wissen verfügen, wie demokratiefeindliche Einstellungen und Verhaltensweisen im alltäglichen Miteinander entstehen und sich manifestieren. Das Erkennen demokratiefeindlicher Erscheinungen setzt im Rahmen einer Situationswahrnehmung und -analyse einen inneren Kompass voraus, der an einer demokratischen Haltung ausgerichtet ist. Die auf einer demokratischen Werteorientierung basierende Beurteilung verlangt bei Vorliegen kritischer Situationen einen zielgerichteten und konsequenten Führungseingriff. Das Erkennen, Bewerten und Handeln der Führungskräfte bekommt durch diese Anlage einen Rahmen, der sowohl Handlungssicherheit, als auch einen lebendigen Prozess zur Stärkung der Werte und des Vertrauens in die Organisation bietet. 

2. Begriffsbestimmungen und Erscheinungsformen 

2.1 Demokratiefeindlichkeit

 Demokratiefeindlichkeit kann unterschiedliche Hintergründe haben und verschiedene Formen annehmen. Gemein ist allen Erscheinungsformen, dass sie der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (fdGO) widersprechen. Das Bundesverfassungsgericht definiert die fdGO unter anderem wie folgt: „So lässt sich die freiheitliche demokratische Grundordnung als eine Ordnung bestimmen, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.“ Eine demokratische Grundhaltung zu leben, bedeutet nicht allein eine demokratische Staatsform anzuerkennen, sondern auch für die Werte einzutreten, die diese Staatsform verkörpert. In Bezug auf polizeiliches Handeln sind insbesondere die Werte Gleichheit, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit von Bedeutung. 

2.1.1 Gleichheit 

Art. 3 GG fordert die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz, in Anerkennung ihrer Unterschiedlichkeit. Demnach haben in Deutschland alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen Rechte und für alle gelten die gleichen Gesetze. Der Grund dafür liegt darin, dass Menschen in einer weiteren Hinsicht gleich sind: Sie sind alle gleich an Würde (Art. 1 GG). Diese wird in Rechtsprechung und Literatur nicht in Form einer konkreten Definition beschrieben. Nach der „Objektformel“, die an vielen Stellen zumindest Ausgangspunkt von Argumentationen ist, darf der Staat den einzelnen Menschen nie als bloßes Objekt oder als Mittel zum Zweck behandeln. Die Subjektqualität des Menschen sowie sein Wert- und Achtungsanspruch um seiner selbst willen dürfen nie prinzipiell in Frage stehen. Die Würde eines Menschen zu achten bedeutet über den gesetzlichen Rahmen hinaus, jede Person respektvoll zu behandeln und ihre Individualität zu berücksichtigen – sie also nicht zu demütigen, zu erniedrigen, zu beleidigen oder bloßzustellen. Grundrechtseingriffe dürfen nur erfolgen, wenn dabei die Menschenwürde gewahrt wird. Die Achtung der Würde hat sich nicht nur in der konkreten Begegnung zu zeigen, sondern auch Haltungen und Sprache müssen von Respekt geprägt sein. 

2.1.2 Freiheit 

Das maßgebliche Ziel der demokratischen Staatsform besteht darin, den Bürgerinnen und Bürgern das größtmögliche Maß an Freiheit einzuräumen. Dazu dienen die im Grundgesetz festgeschriebenen Freiheits- und Persönlichkeitsrechte, wie das Recht auf Leben, körperlichen Unversehrtheit, freie Entfaltung der Persönlichkeit, Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit. Diese Rechte sollen den Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, ihre persönliche Vorstellung eines gelungenen Lebens zu verwirklichen. Somit sind die Diversität und Pluralität von Lebensentwürfen in der demokratischen Gesellschaft nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern durch den Staat zu unterstützen und zu schützen. Jedoch stoßen individuelle Freiheiten an Grenzen, sobald sie die Freiheit anderer beschränken. Diese Grenzen müssen in einer Demokratie immer wieder ausgehandelt und diskutiert werden. Zu einer demokratischen Haltung gehört entsprechend auch Offenheit für Aushandlungsprozesse sowie Dialogfähigkeit. 

2.1.3 Rechtsstaatlichkeit 

In einem Rechtsstaat sind Regierung und Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden und dürfen nur nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit handeln. Dies gewährleistet in der demokratischen Grundordnung unter anderem die Gewaltenteilung und damit einhergehend die Kontrolle durch unabhängige Gerichte. Den Bürgerinnen und Bürgern werden dadurch Rechtssicherheit und der Schutz ihrer Grundrechte garantiert. 

2.2 Demokratiefeindliche Erscheinungsformen 

Demokratiefeindliche Erscheinungsformen sind Überzeugungen, Sprech- und Handlungsweisen, die der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und den damit verbundenen Werten der Gleichheit, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit entgegenstehen. 

2.2.1 Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit 

Eine typische Erscheinungsform demokratiefeindlicher Einstellungen ist Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF). Der Kern des Phänomens liegt in einer grundsätzlichen „Ideologie der Ungleichwertigkeit“. Bestimmte konstruierte Personengruppen werden aufgrund eines bestehenden oder auch nur sozial zugeschriebenen Merkmals (wie Herkunft, Geschlecht, Behinderung, Religionsangehörigkeit, sozialer Status, sexuelle Orientierung etc.) abgewertet. Beispiele dafür sind Rassismus, Sexismus, Homo- und Transphobie, Islamfeindlichkeit, Antisemitismus, Antiziganismus, Abwertung von behinderten, obdachlosen, geflüchteten und asylsuchenden sowie langzeitarbeitslosen Menschen. GMF richtet sich gegen die universellen Werte der Gleichheit und Freiheit, da sie mit der Haltung einhergeht, dass manchen Menschen weniger Respekt, Rechte und Freiheiten zustünden. GMF ist kein Randphänomen und auch nicht zwingend ein Hinweis auf extremistische Einstellungen. Vielmehr bildet sie „Bewegungen in der Gesellschaft ab, die sich je nach politischer und wirtschaftlicher Lage in die eine oder andere Richtung entwickeln.“ Beispielsweise ist Rassismus im Alltag in unserer Gesellschaft weit verbreitet und den Ausübenden nicht immer bewusst. Im polizeilichen Kontext kann sich GMF seitens der Polizei in Einsatzsituationen und konkreten Begegnungen mit Bürgerinnen und Bürgern zeigen, etwa in beabsichtigter oder unbeabsichtigter Diskriminierung, unverhältnismäßiger Zwangsanwendung sowie in Form von vermeintlichen Bagatellen wie der Ansprache. Darüber hinaus kann GMF im kollegialen Miteinander sichtbar werden. Etwa bei der Vor- und Nachbereitung von Einsätzen oder bei informellen Gesprächen in und außerhalb des Dienstes sowie im persönlichen Umgang innerhalb der Dienststelle selbst (Parallelen zu Mobbing siehe Anlage 14). 

2.2.2 Extremistische Ideologien 

Eine weitere demokratiefeindliche Haltung ist die grundsätzliche Ablehnung der demokratischen Grundordnung und des bestehenden politischen Systems. Eine solche Haltung zielt nicht nur auf Demokratie als Lebensform und Wertegemeinschaft, sondern stellt auch die demokratische Staatsform in Frage. Sie findet sich unter anderem in den verschiedenen Formen des politischen und religiösen Extremismus, in Verschwörungsmythen und in der Bewegung der Reichsbürger und Selbstverwalter. Anhängerinnen und Anhänger dieser Ideologien bevorzugen eine andere politische Ordnung (z.B. Monarchie, Kommunismus, Rückkehr zum Kaiserreich, Gottesstaat etc.) und haben ein hohes Misstrauen gegenüber demokratischen Institutionen bis hin zur vollständigen Ablehnung des Grundgesetzes als legitime Verfassung. Extremismus, Verschwörungsmythen und Reichsbürgertum sind häufig eng mit GMF verknüpft, denn menschenfeindliche Einstellungen liefern hierfür eine vermeintliche Legitimation. 

2.2.3 Sprache 

Ein besonderes Augenmerk liegt in diesem Kontext auf Sprache. In Sprechweisen drücken sich einerseits Einstellungen und Haltungen aus, sie geben Auskunft darüber, wie die sprechende Person die Welt wahrnimmt und strukturiert. Andererseits prägt Sprache genau diese Wahrnehmung und Struktur. Durch Sprache werden Weltbilder und Stereotype reproduziert und damit aufrechterhalten. Zu problematischen Aussagen gehören ebenfalls humoristische Äußerungen, Witze und bildliche Darstellungen auf Kosten vulnerabler Personengruppen, da hier die „Grenzen des Sagbaren“ ausgetestet und ggf. verschoben werden. Auch Reaktionen auf solche Aussagen können in demokratiefeindliches Verhalten münden, indem sie GMF verharmlosen oder problematische Aussagen als freundliche Komplimente tarnen. Neben der verbalen Sprache kann sich GMF auch in bewusster oder unbewusster nonverbaler Kommunikation äußern, wenn beispielsweise bestimmte Personengruppen übergangen werden oder besonders große physische Distanz gewahrt wird. 

2.2.4 Kommunikation im digitalen Raum 

Im digitalen Raum können auf verschiedenen Plattformen – auch auf solchen, die nicht als typisch politisch gelten – demokratiefeindliche Inhalte in Form von Schrift, Bild und Video verbreitet werden. Der digitale Raum erleichtert demokratiefeindliches Agieren und Agitieren, da zum einen Inhalte rund um die Uhr an eine Vielzahl von Rezipientinnen und Rezipienten übermittelt werden können. Zum anderen ist demokratiefeindliches Verhalten nicht immer direkt als solches erkennbar, weil es z.B. als angebliches Engagement für die Erhaltung von Werten getarnt ist und andere Gruppen als gefährlich und bedrohlich diskreditiert. Darüber hinaus werden in Chatgruppen, Foren, sozialen Netzwerken sowie in einigen Kommentarspalten persönliche Meinungen oder gezielte Falschaussagen als Wahrheiten dargestellt und schnell verbreitet (sogenannte fake news). Die Abenteuerlichkeit und Interessantheit dieser Meldungen führen dazu, dass sie durch die Funktionsweise der Algorithmen Verbreitung finden und dem Einzelnen priorisiert angezeigt werden. Die sich so entwickelnden „Echo-Kammern“ führen zur Bestätigung und Reproduktion solcher Einstellungen. Zudem werden in manchen Äußerungen die Regeln der wertschätzenden Kommunikation missachtet (hate speech) und es zeigt sich ein Mangel an der für eine Demokratie essentiellen Bereitschaft zur ernsthaften Auseinandersetzung mit vielfältigen Meinungen und Argumenten. 

2.3 Förderungsfaktoren für die Entwicklung extremistischer Tendenzen 

Der wissenschaftliche Diskurs zu Radikalisierungsprozessen zeigt, dass es oftmals Entfremdungs-, Sinnlosigkeits- und Krisenerfahrungen sind, die einen Nährboden für die Übernahme von extremistischen Ideologien und Weltbilder bieten. Im polizeilichen Kontext können das auch Gefühle der Resignation sein, die zum Ausdruck gebracht werden und im weiteren Verlauf zu Einstellungsänderungen führen können. Im Jahr 2020 richtete das Ministerium des Innern des Landes NRW (IM NRW) in Reaktion auf die Entdeckung von Chatgruppen beim Polizeipräsidium Essen, in denen demokratiefeindliches Material geteilt wurde, die Stabstelle „Rechtsextreme Tendenzen in der Polizei NRW“ ein. Ihr Abschlussbericht benennt folgende Faktoren, welche die Entwicklung von extremistischen Tendenzen und GMF innerhalb der Polizei fördern:10 · Schwarze Schafe: Einzelne Personen oder kleine Personengruppen tragen problematische Haltungen in die Organisation oder entwickeln sie im Lauf ihrer beruflichen Tätigkeit innerhalb der Polizei. 

· Mangelnde Aufklärung: Menschenverachtende Äußerungen und Haltungen werden nicht thematisiert und unterbunden, weil verantwortliche Personen diese nicht erkennen oder selbst für unproblematisch halten. Es fehlt das dafür notwendige Wissen und die notwendige Sensibilisierung. 

· Frustration und Entfremdung: Aufgrund negativer Erfahrungen und mangelnder Anerkennung entsteht das Gefühl nichts bewirken zu können, die eigene Gesundheit umsonst zu riskieren oder dass sich Professionalität nicht lohnt. Hinzu tritt häufig die Überzeugung, dass immer alles schlechter wird und sich auch innerhalb der Polizei nichts ändert. Dies führt zu Resignation und Distanzierung von der Organisation. 

· Nähe-Distanz-Problematik: Ein deutliches Einschreiten gegen demokratiefeindliche Äußerungen oder Verhaltensweisen kann für eine Führungskraft eine große Herausforderung darstellen, wenn sie selbst ein nahes Verhältnis zu ihren Mitarbeitenden verspürt und pflegt. Dies ist besonders häufig der Fall, wenn Führungskräfte bei Antritt ihrer neuen Funktion in der gleichen Organisationseinheit verbleiben, in der sie vorher tätig waren. 

· Informelle Anführerinnen und Anführer: Neben der eigentlichen Führungskraft entwickeln sich in der Organisationseinheit informelle Anführerinnen oder Anführer, deren Äußerungen und Verhalten starken Einfluss haben. 

· Kurze Verweildauer: Die kurze Verweildauer von Führungskräften in Organisationseinheiten kann dazu führen, dass tiefgreifende Probleme nicht erkannt und angegangen werden. 

· Verantwortungsdiffusion: Demokratiefeindliche Äußerungen und Verhaltensweisen werden nicht angesprochen, weil sich niemand dafür verantwortlich fühlt. Mitarbeitende sehen Führungskräfte oder andere Kolleginnen und Kollegen in der Verantwortung, während Führungskräfte die nächst höhere Hierarchieebene in der Verantwortung sehen oder auf eine eigenständige Regulierung innerhalb der Gruppe hoffen. 

· Angst vor Ausschluss: Demokratiefeindliche Äußerungen und Verhaltensweisen werden toleriert, weil die Angst besteht aus dem Kollegenkreis ausgeschlossen zu werden und als Verräter oder Verräterin zu gelten oder als Querulant oder Querulantin, wenn der vermeintlichen Mehrheitsmeinung nicht gefolgt wird. 

· Mangelnder Rückhalt: Kolleginnen und Kollegen, die sich gegen demokratiefeindliche Erscheinungsformen einsetzen, erhalten keine ausreichende Unterstützung in der Organisationseinheit und seitens der Führungskraft. 

2.4 (Früh-)Indikatoren für extremistische Tendenzen 

Führungskräfte tragen Verantwortung für die frühzeitige Erkennung von demokratiefeindlichen Tendenzen und ein konsequentes Vorgehen dagegen. Im Folgenden werden Indikatoren aufgezeigt, die auf extremistische Tendenzen hinweisen können. 

2.4.1 Gruppenbezogene Indikatoren Ein aussagekräftiger Indikator für extremistische Einstellungen ist die Einbindung in ein extremistisches Milieu bzw. der Kontakt zu anderen Personen, die extremistische Einstellungen oder solche im Sinne des Syndroms der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit teilen. Dabei kann es sich um eine Gruppierung außerhalb der Polizei handeln, es kann aber auch zu Gruppenbildung innerhalb der Dienstgruppe kommen. Folgende Veränderungen könnten dabei wahrgenommen werden: 

· Hinwendung zu Personen mit gleichgelagerten Einstellungen. 

· Bildung einer in sich geschlossenen Gruppe. 

· Rückzug aus Beziehungen zu Menschen, die diese Einstellungen nicht teilen. 

· Ausgeprägtes Freund-Feind-Denken. 

· Das Gefühl etwas Besonderes zu sein. · Große Distanz zum höheren Dienst. 

· Das Gefühl für eine gute Sache einzutreten bei vorhandenen widrigen Umständen, wie beispielsweise 

o das Gefühl von konstanter Benachteiligung, 

o das Gefühl unter einem Generalverdacht zu stehen, 

o die Unvereinbarkeit von Theorie und Praxis. Im Zusammenhang mit gruppendynamischen Radikalisierungsprozessen kommt der Einteilung in eine Eigen- und Fremdgruppe eine besondere Bedeutung zu. Klare Strukturen und feste Normen zeichnen derartige Gruppen ebenso aus, wie ein starker innerer Zusammenhalt (Korpsgeist). 

Nachfolgende Indikatoren können hier auftreten: 

· Eine ausgeprägte informelle Hierarchie. 

· Das Streben nach Homogenität in der Eigengruppe. 

· Kontrolle des Zu- und Abgangs zur eigenen Gruppe. · Initiationsrituale. · Starke Kontrolle der informellen Regeln. 

· Schwache Kontrolle der formellen Regeln. 

· Schaffung von Abhängigkeiten. 

2.4.2 Äußerungen und Verhaltensweisen 

Polizistinnen und Polizisten sind in ihrem Berufsalltag regelmäßig mit menschlichen Schattenseiten konfrontiert. Dies kann zu Wahrnehmungsverzerrung und Stereotypenbildung führen, die zu menschenfeindlichen Einstellungen werden können. Derartige Einstellungen zeigen sich häufig in 

· vermeintlich harmlosen Witzen oder Äußerungen mit menschenfeindlichen Inhalten (vgl. Kapitel 2.2.3), 

· Äußerungen, die Ausdruck einer demokratiefeindlichen Ideologie sind (z.B. Rassismus, Islamfeindlichkeit, Antisemitismus, Sexismus, Verschwörungsmythen, Reichsbürgertum etc.), 

· problematischen Verhaltensweisen, die mit auffälligen Verwicklungen in Widerstandshandlungen und Beamtendelikten sowie vermehrten Beschwerden gegen die Beamtin oder den Beamten einhergehen. Explizit hiervon abzugrenzen ist die Äußerung von Ansichten, die unter die selbstverständlich auch für Beamtinnen und Beamte geltende Meinungsäußerungsfreiheit (z.B. Kritik im Kollegenkreis an Politik und Regierung) fallen. Diesbezügliche Schranken sind neben jenen des Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebots aus § 33 Absatz 2 Beamtenstatusgesetz spätestens dann erreicht, wenn die hier umfassend beschriebenen Grundsätze verletzt sind. 

2.4.3 Mediennutzung 

Demokratiefeindliches Gedankengut wird maßgeblich über Medien verbreitet. Anzeichen für extremistische Tendenzen können daher sein: 

· Selbstdarstellung, Postings, Gruppenzugehörigkeiten in den Sozialen Medien (vgl. Kapitel 2.2.4). · Auffälliges Verhalten in dienstlichen oder privaten Chats. 

· Konsum, Weitergabe von oder sogar Produktion von einschlägigen Musik-, Film- und Druckerzeugnissen. 

2.4.4 Zeichen und Symbole 

Veränderungen im Gedankengut oder in den Überzeugungen einer Person können sich auch in der Wandlung des äußeren Erscheinungsbildes und der Verwendung entsprechender Zeichen und Symbole äußern. Diese Art der Symbolik ist für extremistische Gruppierungen von besonderer Bedeutung. Sie bringt nicht nur die gelebte Ideologie zum Vorschein, sondern schafft Zugehörigkeit und Abgrenzung gleichermaßen und kann sich unter anderem niederschlagen in: 

· Bekleidung. 

· Körperschmuck, Tätowierungen, Haarschnitt. 

· Aufkleber/Aufnäher auf Kleidung, Fahrzeugen, Spinden, Führungs- und Einsatzmitteln etc.. Aufgrund der Vielfältigkeit extremistischer Codes und der sich stetig wandelnden Aktualität folgt hier eine exemplarische Aufzählung: 

· Im rechtsextremen Spektrum sind besonders keltische bzw. heidnische Zeichen und Symbole beliebt, die auch in anderen subkulturellen Kontexten, z. B. in der Hooligan- oder Rockerszene, Verwendung finden und zudem nicht zwangsläufig der Strafbarkeit unterliegen. 

· Antisemitismus ist auch heute noch ein Wesensmerkmal extremistischer Ideologien. Häufig kommt er versteckt hinter einer offen dargestellten Kritik an der Politik des Staates Israel zum Vorschein. Auch die Solidarität zu Völkern, die die Existenz des Staates Israel ablehnen, kann diesen Zweck verfolgen. 

· Beliebt sind in extremistischen Kreisen auch Verschwörungsmythen, die einerseits das Freund-Feind-Denken unterstützen und andererseits vermeintliche Rechtfertigungen für das Handeln liefern. 

· Im extremistischen Spektrum werden vermehrt Zeichen und Symbole rund um den Terminus „Widerstand (Resistance)“ verwendet. 

· Ausführliche Informationen zu extremistischen Ideologien, ihren Erscheinungsformen und einschlägigen Zeichen und Symbolen sind auf folgenden Seiten zu finden: 

o Bundeszentrale für politische Bildung 

Die Bundeszentrale für politische Bildung informiert unter „Politik“ → „Extremismus und Radikalisierung“ ausführlich über unterschiedliche Ideologien und ihre Erscheinungsformen. 

o Bundesamt für Verfassungsschutz

Seite des Bundsamtes für Verfassungsschutz. 

Unter dem Reiter „Themen“ werden verschiedene Ideologien vorgestellt. Auf den Unterseiten finden sich unter anderem Listen mit typischen Zeichen und Symbolen. 

o IDA NRW 

Seite des Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit in Nordrhein-Westfalen (IDA-NRW). Der Reiter „Symbolik“ führt zu Informationen über Kleidung, Verbotene Kennzeichen und Symbole, Embleme & Runen, Sprachcodes, Fahnen der rechtsextremen Szene. Der Reiter „Musik“ stellt einschlägige Musikrichtungen und -gruppen vor. 

o Intrapol PMK Im Intranet werden aktuelle Informationen zu politisch motivierter Gewalt zusammengefasst. Unter „PMK Rechts“ → „DAREX - Datenbank rechtsextremer Tonträger und Symbole“ findet sich eine umfangreiche Datenbank für den Bereich Rechtsextremismus. 

o Intrapol IKK 

Seite des TD 34.3 Interkulturelle Kompetenz und Diversity Management. Unter „Themenauswahl“ → „Extremismus“ werden ebenfalls Informationen zusammengefasst. 

Polizeiinterne, örtliche Ansprechpartner in Fragen der Bewertung sind insbesondere Extremismusbeauftragte, Kriminalinspektionen Polizeilicher Staatsschutz und Kontaktbeamte muslimischer Institutionen. 

3. Führungsleitlinien zum Umgang mit demokratiefeindlichen Erscheinungsformen 

3.1 Grundlagen 

Demokratiefeindlichen Einstellungen und Verhaltensweisen entgegenzutreten erfordert eine offene, konfliktfähige und an den demokratischen Werten ausgerichtete Organisationskultur. Damit wird tendenziell demokratiefeindlichem Gedankengut der Nährboden zur weiteren Entfaltung entzogen. Führungskräften obliegt es, in ihrer verantwortungsvollen Funktion als Vorbild, diese Werte für alle sichtbar vorzuleben und dafür einzutreten. Im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitenden besteht der berechtigte Anspruch, die Anforderungen und Belastungen des täglichen Dienstes und damit verbunden die Auswirkungen auf die körperlichen und emotionalen Ressourcen der Einzelnen sensibel wahrzunehmen. Die Ursachen und Gründe für die Übernahme von menschen- und demokratiefeindlichen Einstellungen und Verhaltensweisen sind mannigfaltig und erfordern von den Führungskräften viel Empathie und Sensibilität, um Einstellungs- und Verhaltensänderungen bei ihren Mitarbeitenden frühzeitig wahrzunehmen. Polizeibeschäftigte sind in ihrem Berufs- und Alltagserleben einer Vielzahl von unterschiedlichen Erfahrungen und sozialen Einflüssen ausgesetzt: Gesellschaftliche Veränderungen, Krisen und Konfliktsituationen müssen nicht nur als Teil der staatlichen Exekutive, sondern auch als Privatperson verarbeitet und in das eigene Weltbild eingeordnet werden. Polizeibeschäftigte erleben die Gesellschaft im Rahmen ihrer Dienstausübung sehr häufig auszugsweise. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Menschen in prekären Lebenssituationen und anderen Devianz und Delinquenz fördernden Umständen, so dass die Gefahr von Wahrnehmungsverzerrungen in Bezug auf die Bewertung von konstruierten gesellschaftlichen Gruppen besteht. Gruppendynamische Prozesse, ungelöste Konflikte, private Krisen oder der Einfluss der Medien können weitere Faktoren sein, die eine Verschiebung des persönlichen Wertegefüges begünstigen. Die nachfolgend aufgeführten Handlungsempfehlungen tragen dazu bei, Rahmenbedingungen zu schaffen, welche das Entstehen menschen- und demokratiefeindlicher Einstellungen und Verhaltensweisen erschweren und bestenfalls verhindern. 

3.1.1 Wissen 

Das Wissen um die Thematik, insbesondere um die damit verbundenen Begrifflichkeiten, ist eine wesentliche Grundlage im Zusammenhang mit der Förderung der demokratischen Resilienz. Alle Polizeibeschäftigten müssen mit der Thematik und ihren Begrifflichkeiten vertraut sein: 

· Im Dienstunterricht sind diese Themen zu berücksichtigen. 

· Die Teilnahme der Mitarbeitenden an thematisch einschlägigen Fortbildungsveranstaltungen ist zu fördern. Dies gilt auch für die Teilnahme von Führungskräften. Die Fortbildungsangebote des LAFP NRW - Teildezernate 34.3 und 34.4 (Zentrum für ethische Bildung und Seelsorge in der Polizei NRW) - sowie dezentrale Angebote, etwa der Extremismusbeauftragten, bieten hier mögliche Inhalte. 

· Vorliegende Informationen zum Themenbereich sind allen Mitarbeitenden zugänglich zu machen. 3.1.2 Vereinbarungen Angelehnt an das jeweilige Behördenleitbild20 haben die Führungskräfte zusammen mit ihren Mitarbeitenden Vereinbarungen zu treffen, die ihr Handeln in Bezug auf Selbstverständnis und Werteorientierung widerspiegeln: 

· Die Vereinbarungen sind mit den Führungskräften der anderen Organisationseinheiten abzugleichen, um einen abgestimmten Umgang mit dieser Thematik zu gewährleisten. 

· Die Mitarbeitenden sind dabei zu bestärken und zu unterstützen, abweichendes Verhalten in geeigneter Weise mitzuteilen. 

· Eine offene Fehlerkultur im Rahmen einer lernenden Organisation ist zu fördern.

· Erkannte strukturelle Bedingungen, die menschen- und demokratiefeindliche Einstellungen begünstigen, müssen analysiert und angepasst werden. 

· Hinsichtlich dieser Vereinbarungen haben die Führungskräfte ihrer Vorbildrolle entsprechend zu handeln. 

· Der transparente Umgang mit Fehlverhalten ist zu gewährleisten. 

· Ein positives Verständnis von Diversität muss das innerdienstliche Miteinander prägen. 

· Neue Mitarbeitende sind durch die Führungskräfte in die Vereinbarungen der Organisationseinheit einzuführen und zu begleiten. 

3.1.3 Reflexion des Berufsalltags

Um die emotionalen und psychisch belastenden Erfahrungen und Eindrücke des täglichen Dienstes zu verarbeiten, müssen Führungskräfte den Mitarbeitenden regelmäßig Gelegenheit und Räume zur Alltagsreflexion bieten. Erfahrungen gezielt und moderiert zu teilen, bietet den Einzelnen und damit auch der Organisation Gelegenheit, sich im Sinne einer lernenden Organisation weiterzuentwickeln und im Alltag Erlebtes zu verarbeiten. 

· Hinsichtlich der Alltagsreflexionen haben Führungskräfte offen und ansprechbar zu sein sowie aktiv auf ihre Mitarbeitenden einzugehen. 

· Bereitstellung und Weitergabe von Beratungs- und Unterstützungsangeboten der Polizei NRW bzw. der jeweiligen Kreispolizeibehörde sind durch die Führungskräfte zu gewährleisten. 

· Alltagssituationen (intern und extern) sind in regelmäßigen Abständen nachzubereiten. Dabei sind insbesondere die Selbstreflexion und der Perspektivwechsel wichtige Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt. 

· In Bezug auf Alltagsrassismus und Diskriminierung sind die Mitarbeitenden zu sensibilisieren. 

· Externe und interne Moderations- und Supervisionsangebote können zur Unterstützung hinzugezogen werden. Hier sei besonders auf die Angebote des LAFP NRW (Teildezernat 34.2 - Zentralstelle Psychosoziale Unterstützung) sowie auf die örtliche Polizeiseelsorge hingewiesen. 

· Auf bestehende systematische Angebote zur Alltagsreflexion ist zurückzugreifen.

3.2 Handlungsempfehlungen 

3.2.1 Handlungsempfehlungen bei unangemessenen Äußerungen und Verhaltensweisen, die noch nicht den Schluss zulassen, dass sie Ausdruck einer demokratiefeindlichen Grundhaltung sind 

Demokratiefeindliche Einstellungen und Verhaltensweisen sind nicht immer eindeutig als solche erkenn- und klassifizierbar. Zumeist steht eine Äußerung oder ein Verhalten im Raum, welche/s als unangemessen, respektlos oder wenig wertschätzend wahrgenommen wird. Auch solche Äußerungen oder Verhaltensweisen verlangen seitens der Führungskräfte im Rahmen ihrer Vorbildfunktion eine angemessene, zeitnahe Reaktion. Das Fehlen einer solchen könnte bereits als eine stillschweigende Zustimmung gewertet werden und Anlass zu weiteren gleichgelagerten Äußerungen oder Verhaltensweisen bieten. Andere Mitarbeitende, die vielleicht in diesem Fall geschwiegen haben, sehen sich hier bestätigt, auch in Zukunft nichts sagen zu müssen. Ein Führungseingriff bietet an dieser Stelle auch eine Möglichkeit zum Austausch und zur Regulierung vorhandener, ungelöster Konflikte. Demokratiefeindliche Einstellungen entstehen häufig schleichend und werden durch gruppendynamische Prozesse begünstigt. Um das zu verhindern, ist eine niedrigschwellige Intervention durch die Führungskräfte geboten. Nachfolgende Handlungsempfehlungen greifen diese Aspekte auf und unterstützen die zuvor formulierten grundlegenden Handlungsempfehlungen. Führungseingriff Ein frühzeitiger Eingriff bietet einerseits die Möglichkeit, die Bedeutung und die Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarungen (siehe Abschnitt 3.1.2 dieser Anlage) hervorzuheben und andererseits, diese schon niederschwellig darlegen zu können.

 · Der Eingriff hat situativ zu erfolgen. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, ein persönliches Gespräch mit der oder den beteiligten Personen zu vereinbaren. Hinweise zur Führungskommunikation und zur Gestaltung eines Führungsgesprächs finden sich in Anlage 2 der Rahmenkonzeption. Gegebenenfalls muss auch ein Kritik- oder Konfliktgespräch geführt werden (Anlage 3 bzw. Anlage 4).

 · Selbstreflexion und Perspektivwechsel können hier am konkreten Beispiel eingeübt werden. 

· Fehlende Kenntnisse, z. B. über die Bedeutung bestimmter sprachlicher Ausdrücke oder extremistischer Zeichen und Symbole, sind nachzubereiten. 

· Auf Beratungs- und Unterstützungsangebote für Führungskräfte, z. B. LAFP NRW Dezernat 34, insbesondere Zentralstelle Psychosoziale Unterstützung (ZPSU), Polizeiseelsorge, Extremismusbeauftragte in den Polizeibehörden, Psychosoziales Unterstützungsteam (PSU), Soziale Ansprechpartner (SAP), Gleichstellungsbeauftragte, Schwerbehindertenvertretung21 sowie Polizeibeauftragter, kann zurückgegriffen werden. 

· Im Sinne einer offenen Fehler- und Gesprächskultur kann Fehlverhalten angstfrei angesprochen werden. 

· Soziale Nachteile, die ggf. für die Meldenden entstehen könnten, sind durch die Führungskräfte im Blick zu behalten; den Meldenden ist Unterstützung anzubieten. Zur Senkung der Hemmschwelle gilt es, dies bereits im Vorfeld einer Meldung proaktiv zu verdeutlichen. 

3.2.2 Handlungsempfehlungen bei Äußerungen und Verhaltensweisen, die nicht mit den demokratischen Werten vereinbar sind, aber nicht den Verdacht einer extremistischen Gesinnung hervorrufen 

Demokratiefeindliche Einstellungen und Verhaltensweisen toleriert die Polizei NRW nicht. Sie widersprechen neben dem im Amtseid geleisteten Schwur auf die freiheitliche demokratische Grundordnung und den beamtenrechtlichen Dienst- und Treuepflichten auch dem organisationalen Selbstverständnis der Polizei NRW im Kern. Von allen Polizeibeschäftigten, insbesondere den Führungskräften, wird ein aktives Einschreiten gegen demokratiefeindliche Tendenzen und Verteidigen derjenigen Werte, die der freiheitlich demokratischen Grundordnung immanent sind, erwartet und verlangt. Hierunter fallen beispielsweise Äußerungen und Verhaltensweisen, die im Sinne der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) eine Ideologie der Ungleichwertigkeit zum Ausdruck bringen. Führungseingriff In diesen Fällen ist von besonderer Bedeutung, dass Grenzen klar aufgezeigt und angesprochen werden. Alle Beschäftigten müssen verinnerlichen, dass ein Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung keine Option, sondern absolute Verpflichtung ist. 

· Demokratiefeindliche Äußerungen und Verhaltensweisen sind klar und unmissverständlich anzusprechen. 

· Der entsprechende Vorfall ist zu erfassen, zu dokumentieren und zu melden. Meldewege und Meldepflichten sind hierbei zu beachten. 

· Bei Vorliegen des Anfangsverdachts einer Straftat ist sicherzustellen, dass eine Strafanzeige vorgelegt wird (Legalitätsprinzip). 

· Liegt der Anfangsverdacht einer Straftat vor, ist die Behördenleitung zu informieren. Sie prüft beamtenrechtliche bzw. arbeitsrechtliche Maßnahmen. 

· Bei fortgesetzten Handlungen bzw. bei einer besonderen Schwere der Handlung ist die Einleitung eines Disziplinarverfahrens oder arbeitsrechtlicher Schritte zu prüfen. Einzubeziehen ist insbesondere die sachlich zuständige Dienststelle der Direktion Zentrale Aufgaben (ZA) sowie in herausragenden Fällen das LAFP NRW unmittelbar. Die regelmäßige Meldung ans LAFP NRW erfolgt auch über die „Mastertabelle Extremismus“. Zudem ist eine Information des IM NRW, gegebenenfalls durch eine WE-Meldung, zu prüfen. 

· Der Sachverhalt ist mit der betroffenen Organisationseinheit nachzubereiten. Dabei sollten zentrale und dezentrale Beratungs- und Unterstützungsangebote der Polizei NRW (z.B. Supervision, Konfliktberatung, Teamentwicklungsmaßnahmen, moderierte berufs- ethische Reflexion) genutzt werden. Diese können bei der Polizeiseelsorge, dem LAFP NRW bzw. bei den Extremismusbeauftragten der Polizeibehörden erfragt werden. Auch Angebote der systematischen Alltagsreflexion können hierfür in Betracht kommen. 

· Gegebenenfalls ist für die betreffende Person – unter Berücksichtigung gruppenbezogener Prozesse – ein Wechsel der Dienststelle zumindest innerhalb der Behörde zu prüfen. Dies kann auch ihrem Schutz dienen. 

· Besondere Aufmerksamkeit gilt dem oder der Polizeibeschäftigten, der oder die den Vorfall meldet. Im Rahmen der Fürsorgepflicht ist es Aufgabe der Führungskräfte, darauf zu achten, dass dem oder der Meldenden aus der Meldung keine Nachteile erwachsen. 

· Mitarbeitende sollen bestärkt werden, derartiges Fehlverhalten zu melden. 

· Geht die Meldung als Bürgerbeschwerde ein, so bleibt die Verfahrensweise im Sinne des Beschwerdemanagements von diesen Handlungsempfehlungen unberührt. Gleichwohl ist eine sofortige Sachverhaltsklärung und gegebenenfalls Intervention unbedingt geboten. 

3.2.3 Handlungsempfehlungen bei dienstlichem oder außerdienstlichem Fehlverhalten, das den Verdacht auf eine extremistische Gesinnung hervorruft oder den Verdacht begründet, dass der oder die Polizeibeschäftigte extremistischen Gruppierungen oder Organisationen angehören könnte „Hinweisen und Anzeichen auf extremistische Handlungen, Einstellungen, Duldungen oder auf Zugehörigkeit zu extremen Netzwerken und/oder Gruppen ist […] niederschwellig, unverzüglich und konsequent nachzugehen. Dies ist vorrangig Führungsaufgabe.“23 Dieser Erlass verdeutlicht die herausragende Bedeutung, die der Bekämpfung extremistischer Tendenzen in der Polizei zukommt. Sachverhaltsaufklärung Der dem Verdacht zugrundeliegende Sachverhalt ist unverzüglich aufzuklären. 

· Konsequente und unverzügliche Erforschung des Sachverhalts. 

· Erfassung und umfassende Dokumentation des Sachverhalts. 

· Bei Vorliegen des Anfangsverdachts eines strafbaren Handelns ist der Vorgang der für die Bearbeitung von Beamtendelikten zuständigen Dienststelle zuzuleiten und ggf. eine Vorbewertung der Staatsanwaltschaft herbeizuführen. 

· Bewertung und gegebenenfalls Einleitung eines Strafverfahrens und/oder unverzügliche Meldung an die Direktion bzw. Abteilung ZA zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens. In herausragenden Fällen ist das LAFP NRW unmittelbar einzubeziehen. Sofortmeldung Sachverhalte mit extremistischem Hintergrund unterliegen zumeist einem erhöhten öffentlichen Interesse und erfordern eine umfassende Unterrichtung der zuständigen Stellen. 

· Unverzügliche Benachrichtigung der nächsthöheren Führungsebene. 

· Unverzügliche Benachrichtigung der Extremismusbeauftragten. 

· Unverzügliche Beteiligung der Direktion bzw. Abteilung ZA zur Prüfung einer Einleitung beamtenrechtlicher Sofortmaßnahmen. 

· Entsprechend der Intensität und Schwere der Verfehlung: 

o Unverzügliche Benachrichtigung der zuständigen Kriminalinspektion Polizeilicher Staatsschutz. o Fertigung einer WE-Meldung/Sofortmeldung und Dokumentation entsprechend der innerbehördlichen Vorgaben (IM NRW, Landesoberbehörden, Kriminalhaupt- stelle).

· Sofern strafrechtlich relevantes Handeln im Raum steht: Weitergabe an die zuständige Staatsanwaltschaft zwecks Prüfung. 

· Gegebenenfalls ist auch ein Beobachtungs- und Feststellungsbericht zu erstellen. Hierbei ist die jeweils geltende Erlasslage zu berücksichtigen (beispielsweise zum Phänomenbereich Reichsbürger und Selbstverwalter oder Phänomenbereich islamistischer Terrorismus). 

· Abstimmung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zwischen Polizeibehörde, der Pressestellen des LAFP NRW und des IM NRW. 

· Bedarfsgerechte Nachbereitung und Sensibilisierung der anderen Mitarbeitenden der Basisorganisationseinheit in Anlehnung an die zuvor beschriebenen Handlungsempfehlungen unter Zuhilfenahme passender Unterstützungsangebote (z.B. Supervision, Alltagsreflexion, moderierte berufsethische Reflexion), die bei der Polizeiseelsorge, dem LAFP NRW oder bei den Extremismusbeauftragten der Polizeibehörden erfragt werden können. 

4. Fazit 

Das Vertrauen in die Polizei als verlässliche und stabilisierende Größe ist von herausragender Bedeutung. Alle Bürgerinnen und Bürger haben den berechtigten Anspruch, die Beschäftigten der Polizei als Vertreterinnen und Vertreter einer Institution wahrnehmen zu können, welche die demokratischen Werte und insbesondere die Würde des Menschen jederzeit achtet und schützt. Dies erfordert eine offene Fehlerkultur innerhalb der Polizei sowie ein transparentes und entschlossenes Vorgehen, wenn demokratische Werte von Polizeiangehörigen nicht ernst genommen oder sogar missachtet werden. Die genannten Maßnahmen in dieser Anlage wirken dabei unterstützend und stärken die demokratische Resilienz innerhalb der Organisation.

Anmerkungen zu Fußnoten, Abbildungen und Anlagen

Fußnoten: Für die Audiofassung haben wir uns entschieden, auf Fußnoten weitestgehend zu verzichten. Zu finden sind alle Literaturhinweise, Querverweise und Quellenangaben vollständig in der schriftlichen Fassung.

Abbildungen: Abbildungen sind nur in der schriftlichen Fassung zu finden: 

Anlagen: Zu einigen Themen gibt es zusätzliche Anlagen z.B. Informationsbögen oder Vorlagen für Vereinbarungen. Diese sind nur in der schriftlichen Fassung zu finden.

Die schriftliche Fassung können Sie hier aufrufen.  

 

In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110