Die Digitalisierung von Ermittlungsakten wird zum 1. Januar 2026 bundesweit verpflichtend. „Wir haben in Nordrhein-Westfalen schon über 60.000 Vorgänge rein elektronisch verschickt, das ist einmalig in Deutschland!“, sagt Jürgen Marten vom LKA. Er ist der Projektleiter Elektronische Akte in Strafsachen (EAS) auf Polizeiseite. Aktuell läuft der Rollout in Hamm, Düren, Düsseldorf, Mönchengladbach und Wesel sowie im LKA. Die Polizeipräsidien Aachen, Bonn, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen und Wuppertal befinden sich schon länger in der Pilotierungsphase. Marten: „Die Pilotierung läuft weiter. Wir sind in enger Abstimmung mit den Behörden und erschließen so neue Deliktsfelder und werden immer anwenderfreundlicher.“
Der 65-jährige Kriminaldirektor sieht in der Digitalisierung viele Vorteile: „Alles geht viel schneller und wir brauchen nicht mehr diese Berge an Papier. Das ist viel nachhaltiger. Die Dokumente und die Handakten sind volltextlich durchsuchbar. Außerdem kann nichts mehr verloren gehen.“ Bei der Einführung der elektronischen Strafakte unterstützen Marten und sein Team die Behörden: „Wir bieten immer ein Onboarding vor Ort an. Zudem haben wir eine Hotline eingerichtet.“ Auf Moodle steht außerdem eine digitale Fortbildung zur Verfügung.
Das Projekt EAS wird im Landeskriminalamt verantwortet und läuft in enger Zusammenarbeit mit dem Justizressort. Es gibt ein gemeinsames Steuerungsgremium. Über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach übermittelt die Polizei die Vorgänge auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Weg an die Justiz, auf demselben Weg kommen Nachermittlungen zurück oder Initiativvorgänge werden übermittelt. Bei der Polizei ist die EAS ein Modul im Vorgangsbearbeitungssystem ViVA. „Die Nutzung ist total einfach. Dokumente aus ViVA kann ich direkt ins Modul der elektronischen Strafakte ziehen“, erklärt Jürgen Marten.
„Dem Projekt EAS ist auch die Idee für eine App zur Digitalen Vernehmung entsprungen“, sagt Dennis Sopp. Der 40-jährige Polizeidirektor ist Technical Lead für die EAS im LZPD und war schon zuvor Teil des Projekts. „Bei der Entwicklung der App haben wir uns stark an der elektronischen Strafakte orientiert. So lässt sich das Tool optimal nutzen und alles bleibt digital.“ Ein externer Spezialist hat die App genau nach den Anforderungen der Polizei NRW programmiert. Dafür wurden die Sachbearbeiterinnen und -bearbeiter von Anfang an intensiv einbezogen. Die App lässt sich über das iPad im Büro völlig ortsunabhängig nutzen. Vor allem bei Vernehmungen außerhalb des Büros wie etwa in Krankenhäusern und JVAs, bei Sondereinsätzen oder bei Durchsuchungen erleichtert sie die Arbeit der Ermittlerinnen und Ermittler. „Die Digitale Vernehmung ist vollkommen intuitiv. Das Programm führt mich durch die Vernehmung und stellt mir alle wichtigen Fragen. So kann kein Punkt vergessen werden“, betont Sopp.
Im Gegensatz zur Online-Vernehmung, die über Videochat erfolgt und somit Distanzen überwindet, schafft die Digitale Vernehmung Mobilität und vermeidet Medienbrüche. Damit kann sie im Gegensatz zur OnlineVernehmung auch unabhängig von der Schwere der Kriminalität angewendet werden. Ein Knackpunkt dabei ist nämlich die Unterschrift. Die kann die vernommene Person mit dem digitalen Pencil direkt im Dokument leisten, ebenso wie handschriftliche Anmerkungen und Skizzen zum Protokoll hinzufügen. „So wird der Beweiswert der polizeilichen Vernehmung ohne Medienbrüche über die EAS in die Hauptverhandlung getragen“, ergänzt Marten.
Die App für die Digitale Vernehmung entspricht technisch den aktuellen Standards. Durch Updates sind schnelle Änderungen an dem Programm möglich. Für Dennis Sopp sind deshalb alle Rückmeldungen von Nutzerinnern und Nutzern wertvoll: „Nur wenn die App jetzt bereits viel genutzt wird, können wir sie anpassen und noch weiter verbessern".
Einer, der die App bereits regelmäßig nutzt, ist Kriminalhauptkommissar Michael Richter vom Polizeipräsidium Aachen. „Wir sind total begeistert“, sagt er. In Aachen wurden nämlich schon 140 Kolleginnen und Kollegen der Direktionen Kriminalität und Verkehr mit Tablets ausgestattet. Für ganz NRW stehen derzeit etwa 2.500 Geräte zur Verfügung. Die App kann man aktuell neben Aachen im LKA und seit Kurzem in Düren nutzen. Der weitere Rollout ist bereits geplant.
Kürzlich führte Richter zum Beispiel eine Digitale Vernehmung im Aachener Jugendamt durch. Einen 94-jährigen Geschädigten vernahm er zu Hause, da dieser nicht mobil war. „Für die Bürgerinnen und Bürger wird es einfacher und für mich selbst natürlich auch. Früher hätte ich die Vernehmung vor Ort handschriftlich gemacht. Im Büro musste ich sie dann aber noch einmal abtippen oder einscannen. Jedes Dokument, das ich früher gedruckt habe, kann ich jetzt einfach in der elektronischen Strafakte ablegen“, so der 49-Jährige
Selbst wenn keine Internetverbindung besteht oder das System ausfällt, können alle Daten in der App erfasst werden. Die Übertragung in ViVA funktioniert auch zeitversetzt. Sobald die Vernehmung dort abgelegt ist, kann zum Beispiel der Leiter der Mordkommission sie direkt lesen. Sollte er noch Fragen haben, kann der Ermittler vor Ort noch mal bei der befragten Person nachhaken.
Begeistert ist Michael Richter auch von der Möglichkeit, Personalausweise mit dem iPad einzulesen. Alle Angaben werden dann nämlich automatisch in der App eingetragen. „Es macht Spaß, damit zu arbeiten. Die App ist total übersichtlich und leicht zu bedienen. Auch ältere Kolleginnen und Kollegen müssen davor keine Angst haben.“ Die Einführung der App zur Digitalen Vernehmung soll schnellstmöglich erfolgen.