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Our Colors are beautiful
Die „Soko Rechts“ der Dortmunder Polizei ist ein Erfolgsmodell
Der konsequente Kampf gegen aggressive Neonazis zeigt Wirkung und wird von der Zivilgesellschaft anerkannt.
Polizei Dortmund

„Nazi-Hochburg des Westens“, „Hauptquartier der Neonazi-Szene“ - die Berichterstatter waren sich in den vergangenen Jahrzehnten einig in ihrer Meinung über die Ruhrgebietsstadt. Dortmund tauchte regelmäßig als Zentrum einer über Jahrzehnte verfestigten rechten Szene auf, die immer wieder Schlagzeilen machte. Der Kampf gegen diese Szene hat in der Stadt mittlerweile Tradition. Und betrachtet man die Szene heute, ihre Entwicklung in den letzten Jahren, wird klar: Der Kampf zeigt Wirkung. In Form von sinkenden Straftaten, zahlreichen Verurteilungen und offensichtlich abnehmender Mobilisierungskraft. Dies ist in großen Teilen der akribischen Arbeit der „Soko Rechts“ zu verdanken, einer Sonderkommission, die der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange im Februar 2015 eingesetzt hat und die damit in diesem Jahr auf fünf Jahre erfolgreichen Kampf gegen den Rechtsextremismus zurückschaut.

 

Es begann mit der „Borussenfront“

Um die heutige Situation in Dortmund bewerten zu können, bedarf es eines kurzen Blickes in die Historie der rechten Szene. Ihre Anfänge gehen bis in die 80er Jahre zurück. Bis in die2000er Jahre hinein sorgen ihre Mitglieder für immer neue Negativ-Höhepunkte. Einige Beispiele: die Gründung der rechten Hooligan-Gruppierung „Borussenfront“ durch Siegfried Borchardt in den 80ern. 2005 der Mord an dem Punker Thomas Schulz durch einen Rechtsextremisten. Ebenfalls 2005 die Gründung des „Nationalen Widerstands Dortmund“ (NWDO). Dieser zeichnet für diverse Übergriffe auf Andersdenkende, Versammlungen zum „Antikriegstag“ mit mehr als 1.000 Nazis aus ganz Europa oder die sogenannten „Weihnachtsbesuche“ bei Politikern, Journalisten und Nazi-Gegnern verantwortlich. Der NWDO wird 2012 nach Anwendung des Vereinsgesetzes verboten.

Anders als in anderen Szenen führt dies jedoch nicht zum Zerfall, sondern zur Reorganisation der Führung und eines Großteils der Mitglieder: Im selben Jahr gründet sich der neue Landesverband NRW der Partei „Die Rechte“. Schwerpunkt: Dortmund. Die Parteimitglieder fallen mit immer neuen Provokationen auf: mit einer Bürgerwehr namens „Stadtschutz“ im Jahr 2014. Bei der Kommunalwahl im Jahr 2014 erlangt die Partei „Die Rechte“ einen Sitz im Stadtrat. Der erste Vertreter dieser Partei wird beim Einzug in den Stadtrat gefragt, warum er „SS-Siggi“ genannt würde. Seine Antwort, „er würde viel lieber SA-Siggi genannt“, schafft es tatsächlich in die New York Times. Kurz darauf übernimmt ein jüngerer Vertreter der Partei den Sitz und fragt den Rat der Stadt Dortmund offiziell, wie viele Juden und wie viele homosexuelle Menschen in Dortmund leben und vor allen Dingen wo. Mit dieser Frage erlangt der rechtsextremistische Ratsvertreter traurige Berühmtheit und internationale Aufmerksamkeit. Eine der letzten größeren Provokationen stellen die 2015 im Internet aufgetauchten Fake-Todesanzeigen dar, die das Ableben verschiedener Gegner der Szene (Journalisten, Vertreter der lokalen Politik, etc.) betrauern.

 

Partei „Die Rechte“ sät Angst und Einschüchterung

Mitglieder und Führungskader der Dortmunder Partei „Die Rechte“ säen Angst und Einschüchterung, insbesondere in von Migranten stärker bewohnten Stadtteilen. Mit Aktionen wie oben erwähnt oder aber Fackelmärschen vor Asylantenunterkünften erlangen sie internationale Aufmerksamkeit - mit dem Ziel, die eigene Anhängerschaft zu vergrößern und auch die Bedeutung der rechten Szene Dortmunds im internationalen Vergleich zu stärken.

 

Arbeit der „Soko Rechts“ führt zu Verurteilungen

Das Jahr 2015 markiert dann die Einrichtung der „Soko Rechts“. Erklärtes Ziel: Die über Jahrzehnte etablierte rechte Szene in Dortmund mit allen Mitteln des Rechtsstaates zu bekämpfen, in die Schranken zu weisen sowie die Bevölkerung zu schützen und ihr Sicherheitsgefühl zu stärken. Der Ansatz, um dies zu erreichen: die Bündelung von Wissen und Ermittlungskompetenz rund um das Thema Rechtsextremismus.

Die „Soko Rechts“, die personell sehr stark aufgestellt wird, ermittelt ab sofort täterbezogen. Ob ein Rechtsextremist schwarz fährt, einen Ladendiebstahl oder eine gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des politischen Gegners begeht, er landet damit immer beider „Soko Rechts“. Und diese sammelt und sammelt und sammelt...

Dazu kommt die Erkenntnisgewinnung über Personen, Strukturen und Entwicklungen der Szene - sei es durch Ermittlungen nach einer Straftat, durch Beobachtungen im Rahmen von Versammlungen und Veranstaltungen, durch den Informationsaustausch mit anderen Behörden oder durch Medienauswertung. In der Sonderkommission werden all diese Erkenntnisse zusammengeführt, aus- und bewertet sowie im Rahmen der direktionsübergreifenden Zusammenarbeit gesteuert.

Die Tätigkeit der Sonderkommission führt zur Erstellung eines umfassenden Bildes von Mitgliedern der Szene und vor allem von Straftätern. Die Vernetzung der Soko reicht dabei nicht nur in die eigene Behörde hinein, sondern auch in andere Behörden und Organisationen - von der Kommune über Beratungseinrichtungen bis hin zur Staatsanwaltschaft. Gerade die Verbindungen zu letzterer sind es, die in der jüngeren Vergangenheit zu mehreren Verurteilungen von führenden Köpfen der Dortmunder Szenegeführthaben.

105 Verurteilungen sind seit 2015 erwirkt worden. Diese ergeben eine Gesamtstrafe von 35 Jahren und sieben Monaten sowie 61.235 Euro Geldstrafen. Zuletzt haben die Verurteilungen des Bundesvorsitzenden der Partei „Die Rechte“, Sascha Krolzig, sowie weiteren Führungspersonen wie den Brüdern Matthias und Christoph Drewer, Steven Feldmann und von Siegfried Borchardt für Aufmerksamkeit gesorgt.

 

Straftaten seit 2015 stetig rückläufig

Es sind nicht nur Urteile, die ihre Wirkung zeigen. Es ist auch der stetige Kontroll- und Ermittlungsdruck sowie die anhaltend hohe Präsenz der Polizei im Stadtteil Dorstfeld, in dem sich der Großteil der Szene angesiedelt hat und einen sogenannten „Nazikiez“ aufbauen wollte. Großflächige Graffiti-Schmierereien sollten das „Territorium“ markieren. Sie wurden in einer konzertierten Aktion mit der Stadt Dortmund im Beisein des Innenministers Herbert Reul mit dem Schriftzug „Our Colours are beautiful“ bis heute übermalt. Mit allen Mitteln und einem breiten Maßnahmenkatalog (u.a. Anordnung der Videobeobachtung) stellen sich Zivilgesellschaft, Polizei und Stadt Dortmund gegen diesen Versuch, einen rechtsfreien Raum zu schaffen.

Und es gibt weitere Parameter, an denen sich der Erfolg im Kampf gegen rechte Strukturen messen lässt. So ist die Anzahl der rechtsextremistischen Straftaten in Dortmund seit 2015 stetig rückläufig. Vergleicht man die Zahlen aus 2019 und 2015 ergibt sich bei der Gesamtzahl ein Rückgang von mehr als der Hälfte. Bei den Gewalttaten sind es sogar mehr als 80 Prozent. Zudem zeigt sich in der Szene immer wieder Frustration über die Maßnahmen der Dortmunder Polizei.

 

Verbotsverfügungen und enge Auflagen für Nazi-Demos

Auch im Bereich des Versammlungsrechts geht das PP Dortmund gegen den Rechtsextremismus stringent vor. Nahezu jede größere Versammlung wird kritisch überprüft bezogen auf den Versammlungsort, angemeldete Hilfsmittel, zu erwartende Parolen etc. Zahlreiche Verbotsverfügungen und enge Auflagen machen deutlich, wie schwierig es in Dortmund für die Nazi-Szene geworden ist, größere Versammlungen durchzuführen. Die Sogwirkung der rechten Szene Dortmund hat deutlich nachgelassen. Kamen in den Anfängen der 2000er Jahre noch Rechtsextremisten aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland, so sind diese „Besuche“ doch sehr selten geworden.

 

Positive Bilanz der „Soko Rechts“

Nach diesen Jahren des sehr aufwendigen Kampfes gegen den Rechtsextremismus in unserer Ruhrgebietsmetropole stellen wir fest:

  • Die Zivilgesellschaft nimmt die erreichten Erfolge wahr und erkennt sie an. Große Teile der Zivilgesellschaft unterstützen diesen Kurs durch Gegendemonstrationen, durch Lobbyarbeit, Aussteigerangebote, eindeutige Aussagen in der Öffentlichkeit etc. Die Polizei ist im Kampf gegen Rechts in Dortmund nicht allein!
  • Die Medien erkennen den Weg des PP Dortmund an und berichten darüber. Oftmals wird über die Erfolge der Polizei gegen Rechts überregional berichtet, insbesondere dann, wenn es anderorts nicht so gut gelaufen ist.
  • Die Neonazi-Szene in Dortmund hat bundesweit an Bedeutung verloren. Bei Demonstrationen dreistellige Teilnehmerzahlen zu erreichen, fällt dem hiesigen rechtsextremistischen Ratsmitglied Michael Brück mittlerweile immer schwerer. Auch die mediale Aufmerksamkeit hat nachgelassen, weil hin und wieder die Medienverstanden haben, dass es den Extremisten genau auf diese Öffentlichkeitankommt.
  • Der erhoffte Anschluss von Rechtsextremisten an die Mitte der Gesellschaft gelingt hier in Dortmund nicht. Eine Handvoll Nazis stehen einer entschlossenen Polizei und einer großen Mehrheit von Demokraten gegenüber. Eine signifikante Vergrößerung der Szene oder gar größerer politischer Zuspruch zur Partei „Die Rechte“ ist nicht festzustellen.
  • Aktuell sind in der Dortmunder Szene außerdem Auflösungstendenzen zu erkennen, die Polizei und Stadtgesellschaft mit großer Aufmerksamkeit beobachten. So ist Michael Brück, einer der führenden Köpfe der Partei und jahrelang ihr „Gesicht“ in der Öffentlichkeit, Mitte November aus Dortmund weg und nach Chemnitz umgezogen. Sein Ratsmandat hatte er bereits vorher an Matthias Deyda abgegeben. Bernd Schreyner, im September noch als Oberbürgermeisterkandidat für die Partei „Die Rechte“ zur Kommunalwahl angetreten, hat die Partei nur zwei Monate später verlassen. Zuvor - Ende August - war ihm sein Kleiner Waffenschein entzogen worden.

 

Wachsamkeit und Verfolgungsdruck weiter notwendig

Trotz der positiven Bilanz der „Soko Rechts“ und der direktionsübergreifenden Arbeit gibt es keinen Grund, sich zurückzulehnen oder gar Maßnahmen zurückzufahren. Im Gegenteil: Wir haben die „Soko Rechts“ auf unbestimmte Zeit verlängert. Denn es geht um eine über Jahre gefestigte Szene, die nur auf Nachlässigkeit ihrer Gegner wartet. Wachsamkeit und kontinuierlich starker Verfolgungsdruck sind nötig, um die beschriebene Erfolgsgeschichte fortzuschreiben. Gerade in Zeiten, in denen rechtsextremistische Tendenzen durch die Möglichkeiten des Internets und das gesellschaftliche Klima eines der größten Probleme für die innere Sicherheit darstellen.

Polizeipräsident Lange hat die Sonderkommission Rechts eingerichtet, um einen permanent hohen Ermittlungs- und Strafverfolgungsdruck auf eine etablierte, aggressive und gewaltbereite Neonazi-Szene auszuüben. Wir haben als Polizeibehörde bewiesen, dass wir unsere rechtsstaatlichen Mittel ausschöpfen, um die demokratisch gesinnte Bevölkerung vor rechtsextremistischen Gefahren, Volksverhetzungen, antisemitischen und rassistischen Parolen oder Übergriffen zu schützen. Wir sehen jetzt, dass unser langer Atem und unsere Null-Toleranz-Strategie Früchte tragen. Und diesen langen Atem werden wir auch in Zukunft nicht verlieren.

In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110