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LZPD Podcast-E Kapitel 2

Kapitel 2: Gute Führung in der Polizei NRW

Dieses Kapitel setzt sich mit dem entworfenen Wertehorizont der Polizei NRW auseinander und geht auf die 22 Werte im Einzelnen ein. Zudem werden die Bausteine „Demokratische Resilienz“, „Führungsprinzipien“, „Kommunikation als Führungshandeln“ und „Auswahl und Qualifikation von Führungskräften“ betrachtet. 

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2. Gute Führung in der Polizei NRW

„Gute Führung ist gleichermaßen erfolgreich wie ethisch. Während sich der Erfolg auf das Erreichen polizeilicher Ziele konzentriert, verweist die Ethik auf ein Führungsverhalten, das darüber hinausgehenden Erwartungen, Interessen, Werten und Zielen gerecht werden will. Hierunter fallen im Engeren die ‚Zufriedenheitsziele‘ der Geführten oder im Weiteren ein Handeln gemäß Werten aufgrund verfassungsrechtlicher wie gesetzlicher Grundlagen sowie anerkennungswürdiger gesellschaftlicher Normen.“9 Mit diesem Einstiegszitat ist das, worum es bei einer guten Führung geht, klar umrissen. Es handelt sich um eine gelungene Verbindung der Sach- und Humanorientierung der Führung, beides basierend auf ethischen Grundlagen. Ein Erfolg, der auf Kosten der Mitarbeitenden erreicht wird, beispielsweise, weil ihre Interessen im Alltag beständig nicht gewahrt werden, ist kein Bestandteil guter Führung, ebenso wie ein sachlicher Erfolg die polizeiliche Zielsetzung verfehlt, sofern er legitime Interessen Dritter verletzt. Umgekehrt kann von keiner guten Führung gesprochen werden, die allein ihre Ausrichtung auf soziale Zielsetzung legt, beispielsweise ein gutes Teamklima erzeugt, ohne dass die Teamziele erreicht werden. Deshalb ist es für eine Führungsbeziehung zwingend, sich durch ein ausgewogenes Verhältnis von Leistungsorientierung und Mitarbeiterorientierung auf festem Wertegrund auszuzeichnen, um die Organisations- wie Teamziele zu erreichen und die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei sicherzustellen. Dies gelingt nicht immer so einfach, wie man sich das wünscht. Deshalb sind Führungskräfte aufgefordert, bestehende Führungskompetenzen zu stärken und neue zu entwickeln. Dies ist auch im Hinblick auf die zunehmende Digitalisierung und Diversität in der Polizei notwendig. Führende müssen einen verlässlichen Rahmen für Führungsprozesse haben. Hierzu gehören beispielsweise konstruktive Feedbackgespräche, welche die Zusammenarbeit zwischen Führenden und Geführten betreffen. Natürlich sind Führende wie Mitarbeitende in ihrer Einstellung wie ihrem Leistungsvermögen abhängig von dem Umfeld, in dem sie agieren. Die grundsätzliche und erst einmal vorbehaltlose Wertschätzung ihrer Arbeit gehört seitens ihrer eigenen Vorgesetzten und aller für die Polizeiarbeit Verantwortlichen dazu. Dies schließt eine kritische Bewertung von Leistung und Verhalten im Interesse der Sache nicht aus. Diese ist dann respektvoll und lösungsorientiert vorzutragen. Führung von Beschäftigten der Polizei ist als ein System zu betrachten, bei dem es zu dynamischen Prozessen zwischen Geführten und der Führungskraft innerhalb einer komplexen Organisationsstruktur kommt. Führung findet dabei in unterschiedlichen Konstellationen statt, in denen soziale Interaktionsprozesse das Miteinander bestimmen. Gute Führung zum Erreichen der Organisationsziele ist dabei an einem Wertehorizont auszurichten (Kompassfunktion).

Führungskräfte sind regelmäßig sowohl Führende als auch Geführte. In den unterschiedlichen Beziehungsgeflechten sind deshalb Selbstreflexion und eigenverantwortliches Handeln auch in geführter Situation elementar. Es geht um ein ganzheitliches Führungsverständnis. Nicht nur Mitarbeitende und Teams werden geführt, im Sinne einer guten Führung geht es zugleich um die Selbstführung der Führungskraft. Führungskräfte nehmen durch ihr Verhalten und ihre Kommunikation Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie müssen eine mitarbeiterorientierte und gesundheitsförderliche Führung praktizieren. Gute Führung hat salutogene Wirkungen (siehe Abschnitt 1.3). Führungskräfte gestalten die Arbeitsbedingungen und haben damit Einfluss auf die Arbeitsbelastung und Arbeitssicherheit sowie die sich daraus ergebenden gesundheitlichen Folgen. Gute Führungskräfte spüren, wo die (unterschiedlichen) Grenzen der Belastbarkeit bei den Geführten liegen. Führungskräfte sind selbst von verschiedenen Stressfaktoren betroffen und tragen damit ein Gesundheitsrisiko. Ihr Umgang mit diesem Risiko hat Vorbildfunktion für die Mitarbeitenden. Um gute Führung erlebbar zu machen gilt es, Vertrauen und Gerechtigkeit, aber auch Teamgeist und Zugehörigkeitsgefühl zur Organisation durch ganzheitliche Vorbildfunktion und authentische Führung zu manifestieren. Ebenso kommt transparenten, nachvollziehbaren Entscheidungsprozessen sowie dem von Verlässlichkeit in Wort und Tat geprägtem Vertrauen eine entscheidende Bedeutung zu. Wertschätzung und ehrliches Interesse an den Geführten haben größten Einfluss auf deren Engagement. Die Führenden und die Geführten sollen gezielt gefordert, aber auch gefördert werden. Diese Verantwortung der Führungskraft kommt bereits bei der Einführung von neuen Mitarbeitenden zum Tragen. Ziel muss dabei sein, neue Beschäftigte schnell zu kompetenten und selbständigen Mitgliedern der Organisation zu qualifizieren. Hinweise zur Einführung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befinden sich in der Anlage 1. Die Werteorientierung innerhalb der Polizei wird durch das Führungsverhalten entscheidend geprägt. Hierdurch wird die Grundlage für das innerdienstliche Klima, die Haltung und das Selbstbewusstsein der Geführten geschaffen. Eine umkehrbare Kommunikation10 ist eine wesentliche Grundlage für einen akzeptanz- und vertrauensbasierten Umgang miteinander. Die Geführten werden ermutigt, Fehlentwicklungen und Missstände direkt anzusprechen, ohne auf das Tätigwerden einer Führungsebene zu warten. Ein solches Klima guter Führung ermöglicht wechselseitige Kritik und aktives Lob. Es muss für Führende und Geführte Gelegenheit (Zeit und Raum) für das Ansprechen von Defiziten und Qualitätsproblemen bestehen. Hier gilt es insbesondere, Auffälligkeiten („Wo stimmen Worte und Taten nicht überein?“) sowie falsch verstandene Wertschätzung bzw. Diskriminierung zu thematisieren. Führungskräfte müssen durch eine vertrauensvolle Kommunikation für eine offene Fehlerkultur einstehen. 

2.1 Wertehorizont 

Gute Führung wird maßgeblich durch die Werteorientierung der Führungskräfte geprägt. Das Vorleben der nachfolgend beschriebenen Werte und deren praktische Vermittlung an Mitarbeitende ist die Basis allen Führungshandelns der Führungskräfte in der Polizei NRW. Grundlegende Werte für die polizeiliche Führung und damit auch für diese Rahmenkonzeption ergeben sich direkt aus den beiden einschlägigen Verfassungen: Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland mit seinem Bekenntnis zu einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung und die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem darauf basierenden Diensteid. Darüber hinaus wurden in die Rahmenkonzeption weitere wesentliche Werte aufgenommen, die sich insbesondere aus der Initiative „Werteorientierungen der Polizei des Landes NRW“11 und den thematischen Befassungen der Landesarbeitsgruppe (LAG) Führungsstrategie ergeben. Die für die gute Führung essenziellen Werte werden im Folgenden auf obiger Basis aufgeführt, teilweise mit explizitem Verfassungsbezug. Den Erläuterungen sind in Kästen beispielhaft Aussagen nachgestellt, die im Sinne von grundsätzlichen Haltungen und Einstellungen der Überprüfung des eigenen wertebasierten Handelns dienen. 

2.1.1 Respekt und Wertschätzung 

Führungskräfte sind verpflichtet, die Menschenwürde als oberstes Gut der Verfassung zu achten und zu schützen. Dies bedeutet für die Führung von anvertrauten Mitarbeitenden, dass mit diesen immer respektvoll und wertschätzend umzugehen ist. Jeder Mensch hat eine individuelle Persönlichkeit, die von Führungskräften zu achten ist. Wichtig ist die Kongruenz zwischen Führungsstil und den Wertvorstellungen der Menschen, die geführt werden. Aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben dies im Umgang miteinander und gegenüber Führungskräften zu beachten.

• Ich arbeite gerne mit Menschen zusammen. 

• Ich bin höflich und freundlich, in der Form und im Umgang. 

• Ich bin geduldig, wenn ich führe. 

• Ich behandle Menschen wertschätzend und achte sie. 

• Ich übe Kritik stets sachlich und konstruktiv, sei es an Mitarbeitenden oder Führungskräften. 

• Ich rede nicht schlecht über andere. 

• Ich kann auch in Stresssituationen positiv bleiben und versuche Missmut zu vermeiden. 

• Ich nehme Anregungen und Verbesserungsvorschläge meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter offen auf. 

• Ich fordere angemessenen Respekt ein, wenn ich feststelle, dass Mitarbeitende ihn weder gegenüber anderen noch mir zeigen.

2.1.2 Neutralität, Gleichheit und Gerechtigkeit Aufbauend auf den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 des Grundgesetzes kann diese Wertetrias gebildet werden, denn nur durch Neutralität kann eine Gleichbehandlung, eine gerechte Behandlung den Mitarbeitenden gegenüber gewährleistet werden

• Ich schaffe gemeinsam mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Atmosphäre gegenseitigen Respekts. 

• Ich behandle meine Mitarbeitenden gerecht. 

• Ich sehe die Bedürfnisse meiner Mitarbeitenden, fördere das Verständnis füreinander und gestalte das Miteinander in der Gruppe. 

• Ich bin meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber unvoreingenommen und unparteiisch. 

• Ich bin mir der Bedeutung von objektiver, neutraler und vorurteilsfreier Führung bewusst. 

• Ich halte Interessenskonflikte aus und treffe sachorientierte Entscheidungen. 

• Ich habe eine offene Haltung, die auf Inklusion aufbauend die Vielfalt schätzt und zur Beteiligung aller einlädt. 

• Ich versuche, die Bedürfnisse meiner Mitarbeitenden auszubalancieren und setze mich für Barrierefreiheit ein. 

• Ich behandle wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich.

2.1.3 Motivation und Engagement

Motivierte und engagierte Führungskräfte sind für die Organisation entscheidend. Eine positive Arbeitskultur zeichnet sich auch durch starke, empathische Führungskräfte aus, die als Teil ihres Teams agieren. Gute Führungskräfte zeigen durchgängig eigene Motivation und Engagement, motivieren aber ebenso ihr Team, eine gute Leistung zu erbringen. Sie schaffen eine positive Arbeitsumgebung, in der sich die Mitarbeitenden nicht nur für ihr eigenes Leistungsergebnis, sondern durch entsprechende Selbstverpflichtung auch für den Erfolg des Teams und der Organisation als Ganzes persönlich verantwortlich fühlen. 

• Ich schaffe gemeinsam mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Atmosphäre gegenseitigen Respekts. 

• Ich behandle meine Mitarbeitenden gerecht. 

• Ich sehe die Bedürfnisse meiner Mitarbeitenden, fördere das Verständnis füreinander und gestalte das Miteinander in der Gruppe. 

• Ich bin meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber unvoreingenommen und unparteiisch. 

• Ich bin mir der Bedeutung von objektiver, neutraler und vorurteilsfreier Führung bewusst. 

• Ich halte Interessenskonflikte aus und treffe sachorientierte Entscheidungen. 

• Ich habe eine offene Haltung, die auf Inklusion aufbauend die Vielfalt schätzt und zur Beteiligung aller einlädt. 

• Ich versuche, die Bedürfnisse meiner Mitarbeitenden auszubalancieren und setze mich für Barrierefreiheit ein. 

• Ich behandle wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich. 

• Ich scheue keine Anstrengung für eine gute Führung. 

• Ich tue alles, was ich tue, aus Überzeugung und mit ganzem Herzen, bleibe aber dabei bescheiden. 

• Ich kenne die Hindernisse für Motivation und bemühe mich, diese zu beseitigen. Dadurch fördere ich Motivation und vermeide Demotivation. 

• Mir ist bewusst, dass der Erfolg der Organisation auf dem Erfolg aller basiert. 

• Ich nehme mich der Themen meiner Mitarbeitenden an – ich bin zuständig.

• Ich kenne die persönlichen Ziele meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und berücksichtige diese angemessen. 

• Ich entwickele meine Mitarbeitenden auch durch entsprechende Delegation von verantwortungsvollen Aufgaben.

2.1.4 Transparenz und Beständigkeit 

Klarheit über Ziele zu haben, bedeutet auch, zielorientiert führen zu können. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen wissen, was in welchem Zeitrahmen erwartet wird. Nur eine transparente und beständige Haltung gegenüber den Mitarbeitenden macht eine effektive Zielerreichung möglich. Dabei ist wichtig, dass die Ziele von Führenden und Geführten im Rahmen von Behörden- und Fachstrategien gemeinsam entwickelt und vereinbart werden. 

• Ich stehe für Transparenz und Klarheit, räume Unklarheiten aus oder sorge dafür, dass dies passiert. 

• Ich spreche meine Erwartungen gegenüber den Mitarbeitenden klar aus. 

• Ich bin für meine Mitarbeitenden berechenbar und ansprechbar. • Ich beteilige meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angemessen. 

• Ich informiere Mitarbeitende wahrheitsgemäß und zeitgerecht. 

• Ich kommuniziere ehrlich, authentisch, partnerschaftlich, klar und eindeutig. 

• Ich gebe Handlungs- und Entscheidungsspielräume. 

2.1.5 Vertrauen und Glaubwürdigkeit 

Als Führungskraft muss ich durch die eigene Führungspraxis Bedingungen bieten, durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbstständig agieren können und sich verantwortlich fühlen. 

• Ich gebe Handlungs- und Entscheidungsspielräume. 

• Ich mache verantwortungsbewusste Offenheit zu meinem Prinzip. 

• Ich sorge für einen fairen Umgang miteinander. 

• Ich handle nach meinen Worten, die auch langfristig Bestand haben. 

• Ich gebe als Vertrauenstreiber einen Vertrauensvorschuss und schaffe dadurch eine gelebte Vertrauenskultur. 

• Ich gehe behutsam mit dem mir entgegengebrachten Vertrauen um. 

• Ich schütze meine Mitarbeitenden vor ungerechtfertigten Forderungen.

2.1.6 Zuverlässigkeit, Integrität, Loyalität und Zielstrebigkeit

Zuverlässigkeit ist eine besondere Form der Wertschätzung und ist Voraussetzung für die Handlungssicherheit aller Beschäftigten. Loyalität gegenüber der Organisation, den Vorgesetzten und den Mitarbeitenden in Verbindung mit einer zielstrebigen Vorgehensweise führt dazu, dass diese Zuverlässigkeit auch integer wahrgenommen wird. 

• Ich bin zuverlässig und berechenbar. 

• Ich bin mir meiner Vorbildfunktion bewusst, sowohl im Handeln als auch mit meinem persönlichen Erscheinungsbild. 

• Ich verhalte mich auch außerhalb des Dienstes so, wie es von mir als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter der Polizei und Führungskraft verlangt wird. 

• Ich fördere die Stärken der Gruppe. 

• Ich vermittle klare, gemeinsam vereinbarte Ziele, Standards, Erwartungen und Spielregeln. 

• Meine werteorientierte Haltung spiegelt sich in meinen Worten und meinem Handeln wider; ich bin integer. 

• Ich bin mir meiner Rolle als Führungskraft bewusst und fülle diese aus. 

• Ich behalte – auch in schwierigen Situationen – den Blick auf Chancen und Lösungsmöglichkeiten. 

• Ich fördere positives und konstruktives Denken. 

• Ich kenne meinen Verantwortungsbereich und verfolge die gemeinsam vereinbarten Ziele.

2.1.7 Rechtschaffenheit und verantwortungsvolle Ausübung der Eingriffsbefugnisse Der aus dem Rechtsstaatsprinzip entwickelte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bindet die Polizei im Eingriffshandeln. Dies ist stets zu beachten und auch im internen Führungshandeln entsprechend anzuwenden.

• Ich beachte das Recht und verteidige es. • 

Ich achte auf rechtmäßiges Handeln meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihre Verfassungstreue. 

• Ich bin mir meiner Verantwortung als Führungskraft bewusst und werde mein Handeln darauf ausrichten. 

• Ich missbrauche nicht die mir verliehenen Machtbefugnisse und achte darauf, dass auch meine Mitarbeitenden ihre Macht nicht missbrauchen. 

• Ich achte auf autoritäre und demokratiefeindliche Entwicklungen in der Gesellschaft und besonders in meiner Gruppe und wirke diesen aktiv entgegen.

2.1.8 Toleranz, Fehlerkultur und Selbstreflexion

 Toleranz bedeutet nicht nur andere Denk- und Verhaltensweisen zu dulden, sondern auch sie soweit zu akzeptieren, wie sie mit unseren Grundrechten und Grundwerten vereinbar sind. Mangelnde Fehlertoleranz äußert sich vor allem in der Angst vor weiteren Fehlern. Der Aufbau einer positiven Fehlerkultur ist wichtig. Dies bedeutet nicht, Fehler generell gut zu heißen. Es geht um einen konstruktiven Umgang mit diesen Fehlern und darum, auch aus Fehlern anderer zu lernen. Wer führen will, muss sich auch selbst reflektieren können. Nur wer regelmäßig über seine Arbeit und Routinen nachdenkt, kann daraus lernen und sein Verhalten verbessern.

• Ich gebe angemessen Lob und Anerkennung an die Mitarbeitenden. 

• Ich lebe und repräsentiere eine konstruktive Kultur der Bearbeitung von Streit und Konflikten. 

• Ich etabliere eine offene Fehlerkultur für alle, stehe insbesondere zu eigenen Fehlern und lerne daraus. 

• Ich befähige meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und mich selbst zur Selbstreflexion, um Fehler zu erkennen, Erkenntnisse daraus zu gewinnen und zukünftiges Handeln danach auszurichten. 

• Ich übe angemessen Kritik – auch an mir selbst. 

• Ich nehme Kritik respektvoll und angemessen entgegen. 

• Ich bin mir meiner Rolle als Bindeglied zwischen Mitarbeitenden und der Organisation bewusst. 

• Ich kann mit gesellschaftlichem Wandel und seinen Veränderungen umgehen. 

• Ich bin anderen Meinungen gegenüber aufgeschlossen und lasse sie zu.

2.1.9 Achtsamkeit und Fürsorge 

Achtsamkeit und Fürsorge für die anvertrauten Mitarbeitenden, aber auch für sich selbst sind wichtige Werte für Führungskräfte. Die bewusste Achtsamkeit sorgt für eine aktive Präsenz in der jeweils gegenwärtigen (Führungs-)Situation. Der Augenblick zählt – und nicht Vergangenheit oder Zukunft – die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter steht dann im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die Pflichten und Möglichkeiten der Fürsorge des Dienstherrn können durch die Führungskräfte nur dann richtig wahrgenommen werden, wenn sie darüber informiert sind und die Beschäftigten im Bedarfsfall richtig und angemessen beraten sowie hilfreiche und förderliche Maßnahmen einleiten können. Eine achtsame und fürsorgliche Führungskraft erkennt bei den Mitarbeitenden frühzeitig Hinweise auf Belastungen oder Probleme und reagiert angemessen darauf.

• Ich achte auf die Gesundheit und Arbeitszufriedenheit meiner Mitarbeitenden – aber auch auf meine Gesundheit und Zufriedenheit. 

• Ich setze das behördliche Gesundheitsmanagement um und ermögliche die aktive Beteiligung meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 

• Für mich ist es selbstverständlich, erforderlichenfalls Hilfe und Unterstützungsleistungen für mich in Anspruch zu nehmen oder diese für andere zu vermitteln. 

• Ich fördere das soziale Miteinander im Team. 

• Ich bilde mich ständig fort, um die Mitarbeitenden bei Fragen angemessen beraten zu können. 

• Ich unterstütze bei Schwierigkeiten angemessen und verständnisvoll. 

• Ich entwickle mich als Führungskraft weiter, indem ich Fortbildungen wahrnehme und Beratungsangebote nutze.

2.2 Demokratische Resilienz 

Das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung wird insbesondere durch die Werte Gleichheit, Freiheitlichkeit und Rechtsstaatlichkeit getragen. Für die Polizei als wesentlicher Träger des staatlichen Gewaltmonopols ist die Verfassungstreue ihrer Mitarbeitenden ein Wesensmerkmal. Der gesetzlich legitimierte Eingriff in Grundrechte und die erforderlichenfalls rechtsstaatliche Gewaltausübung zum Schutz höherwertiger Rechtsgüter kennzeichnet polizeiliches Handeln. Deshalb darf es zu keinem Zeitpunkt Zweifel an den demokratischen Einstellungen und Verhaltensweisen von Polizeibediensteten geben. Es besteht die berechtigte Erwartungshaltung der Gesellschaft an die Polizei, dass sie unmissverständlich für den Schutz von Demokratie und Rechtsstaat eintritt. Gerade in krisenhaften gesellschaftlichen und politischen Situationen muss die Polizei widerstandsfähig gegen Störungen und Angriffe von innen und außen und in der Lage sein, die Grundwerte der Demokratie zu verteidigen. Führungskräfte nehmen hier eine besonders zentrale Rolle ein. Sie müssen sich, gerade im Zweifelsfall, klar positionieren und Haltung beziehen. Durch die Verinnerlichung und Beachtung der beschriebenen organisations- und mitarbeiterorientierten Werte ist es den Führungskräften der Polizei möglich, als Vorbild für die Mitarbeitenden eine Haltung und Charakterstärke zu entwickeln. Insbesondere in kritischen Situationen können sie mit ihrem inneren Kompass die Handlungssicherheit sicherstellen, die den Erwartungen an eine demokratische, rechtsstaatliche und bürgerorientierte Polizei entspricht. Den Führungskräften in der Polizei kommt zusätzlich die bedeutende Aufgabe zu, diese selbstverständliche Widerstandsfähigkeit auch bei den ihnen anvertrauten Mitarbeitenden gleichermaßen zu stärken, wie im Alltäglichen einzufordern. Dies erfordert auch eine Sensibilität hinsichtlich des Syndroms Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. 12 Darunter sind Einstellungen wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Sexismus, die Abwertung von homosexuellen, behinderten, obdachlosen und langzeitarbeitslosen Menschen sowie die Demonstration von Etabliertenvorrechten gegenüber Neuankömmlingen zu fassen. Der gemeinsame Kern des Syndroms ist eine nicht zu tolerierende Ideologie der Ungleichwertigkeit. Die Entwicklung hinsichtlich dieses Syndroms beginnt unauffällig. Denken und Handeln der beteiligten Personen wird maßgeblich durch das Erfahrungsumfeld geprägt. In diesem Zuge kann es zu einer schleichenden Radikalisierung kommen, die sich durch einen Verlust von Empathie, einem nicht angemessenen Sprachgebrauch und letztlich auch einem rechtswidrigen Einschreitverhalten bemerkbar machen kann. Dabei ist zudem häufig ein negativer Korpsgeist zu beobachten, der aus falsch verstandener Kollegialität dazu führt, dass das Handeln toleriert oder sogar gedeckt wird. Daher ist ein geschärfter Blick für diese Prozesse, Sensibilität in der Wahrnehmung, bewusstes Hinschauen und eine klare und konsequente, nach außen wahrnehmbare Reaktion, notwendig. In diesem Themenkontext sind zukünftig auch Fortbildungen und ggf. weitere Maßnahmen zur Stärkung der interkulturellen Kompetenz und Diversitätskompetenz erforderlich.

2.3 Führungsprinzipien 

Gute Führung muss nachhaltig und vorhersehbar sein, um eine möglichst große und dauerhafte Verwirklichung von Organisationszielen und Mitarbeiterzielen zu ermöglichen. Dadurch entsteht unter Umständen ein Spannungsfeld, das unter Berücksichtigung von Vorhersehbarkeit, Gleichartigkeit und Individualität durch die nachfolgenden Führungsprinzipien aufgelöst bzw. gemindert werden kann. Die folgenden – gleichberechtigt nebeneinanderstehenden und nicht abschließenden – Führungsprinzipien geben zusammen mit dem zuvor angeführten Wertehorizont weitere Orientierung und dennoch Raum für bereichsspezifische Konkretisierungen. Sie geben einen Rahmen vor, an dem sich Führungskräfte in Entscheidungssituationen ausrichten können. Dadurch können Führende ihre Stärken einbringen und Geführte auf die Anwendung eines grundlegenden Führungsverständnisses vertrauen.  Der Handlungsspielraum der Führenden wird rechtlich und ethisch durch die Verfassung bestimmt. 

  • Führungskräfte sind sich ihrer Rolle und Vorbildfunktion bewusst. 
  • Führungskräfte kommunizieren verständlich, der Situation angemessen offen oder diskret und nutzen dabei auch moderne Kommunikationsmittel. 
  • Führungskräfte erkennen die Notwendigkeit für Veränderungen ebenso wie die, einen eingeschlagenen Weg fortzusetzen. 
  • Führungskräfte sind im Geben und Nehmen kritikfähig, gewährleisten eine offene Fehlerkultur und ermöglichen dadurch Selbstreflexion sowie Weiterentwicklung der Persönlichkeit. 
  • Führungskräfte kennen und beherrschen die Führungsinstrumente, sie berücksichtigen die Handlungsempfehlungen.
  • Führungskräfte stellen sicher, dass periodisch eigene und nachgeordnete Führungsprozesse hinterfragt, überprüft und optimiert werden.
  • Führungskräfte streben nach einer bestmöglichen Erfüllung der Aufgaben und Erreichung der Ziele.
  • Führungskräfte kümmern sich um die Entwicklung von Fach- und Führungskarrieren. 
  • Führungskräfte praktizieren strukturell und situativ aktives Gesundheitsmanagement – sei es für die Mitarbeitenden oder für sich selbst – und agieren auf diese Weise vorbildlich. 
  • Führungskräfte besitzen Inklusionskompetenz und sehen dies als eine wichtige Führungsaufgabe an.

2.4 Kommunikation im Führungshandeln 

Führungsprinzipien müssen, um wahrgenommen und gelebt zu werden, kommuniziert werden. Dies ist zum einen die besondere Verantwortung der Behördenleitung, zum anderen Aufgabe jeder weiteren Führungskraft. Die Führungsprinzipien bilden mit all ihrer Orientierungskraft lediglich die Basis, auf die das Führungshandeln aufsetzen muss. Und auch hier wird man feststellen, dass dieses Führungshandeln ohne Kommunikation nicht auskommt. Nicht nur, weil durch Kommunikation zunächst die jeweiligen Rollenerwartungen in einer Führungsbeziehung ausgetauscht und am Ende hoffentlich wechselseitig akzeptiert werden, sondern auch, weil das alltägliche sachliche wie soziale Miteinander durch Kommunikation geprägt wird. Dabei geht es um Inhalte, aber auch um die Art und Weise, wie miteinander gesprochen wird (Besprechungen, Feedbackgespräche, Mitarbeitergespräche, Konfliktgespräche usw.). Das Führungshandeln wird durch Kommunikation verständlich, vorhersehbar und konstruktiv kritisierbar. Kommunikation, die die Geführten erreicht, umfasst beispielsweise Aktives Zuhören, Fragen stellen, Fragen zulassen und angemessenes Antworten. Aber auch das Erkennen und Reagieren auf Bedenken und Konflikte ist notwendig, wie überhaupt eine auf Verständigung abzielende Kommunikation nicht ohne empathische Fähigkeiten auskommt. Generelle Hinweise für die Führungskommunikation sind in der Anlage 2 beschrieben.

2.5 Auswahl und Qualifizierung von Führungskräften 

Für die Umsetzung und Gestaltung guter Führung sind gute Führungskräfte erforderlich. Die Identifizierung und Gewinnung geeigneter Führungskräfte sind daher für die Polizei NRW ebenso wichtig wie die fortlaufende Qualifizierung dieser. Dabei ist durch Gewährleistung entsprechender Rahmenbedingungen darauf hinzuwirken, dass die Unterrepräsentanz weiblicher Führungskräfte ausgeglichen wird.

2.5.1 Auswahl von Führungskräften 

Nicht alle Beschäftigten eignen sich als Führungskraft. Führung ist nur begrenzt erlernbar. Verantwortliche Wahrnehmung von Führung erfordert bestimmte persönliche Grunddispositionen. Zur Entwicklung von landesweiten Standards für die Auswahl von Führungskräften (LG 2.1 und 2.2) bei der Polizei NRW sind daher fortlaufend Anforderungsanalysen durchzuführen, um landeseinheitliche Anforderungsprofile durch das LAFP NRW zu erarbeiten. Ergänzend gilt zu prüfen bzw. anzupassen, welche (beamten-)rechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen sind. Ziel soll es sein, in Abhängigkeit der Ergebnisse der Anforderungsanalysen, kompetenzbasierte Auswahlmethoden bei der Besetzung von sämtlichen Führungsfunktionen bei der Polizei NRW zu entwickeln und anzuwenden. Hierzu werden Mindestanforderungen und/oder Eignungsmerkmale (Anforderungsprofile) für die entsprechenden Auswahlverfahren verankert, die ggf. landeszentral durchzuführen sind. Zur Identifizierung von Führungskräften können Potenzialanalysen im Rahmen von Karriereplanungskonzepten hilfreich sein. Möglichen Bewerberinnen und Bewerbern auf Führungsfunktionen sind Gelegenheiten zur Darstellung ihrer Potenziale einzuräumen (z. B. durch Hospitationen). Anreizsysteme zur Übernahme von Führungsverantwortung tragen dazu bei, dass auch zukünftig die erforderliche Anzahl geeigneter Führungskräfte erreicht werden kann. Ergebnisse einer im Rahmen der Landesarbeitsgruppe durchgeführten empirischen Studie verdeutlichen, dass vor allem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Mentoring-Konzepte bisher Unentschlossene zur Übernahme von Führungsverantwortung motivieren können. Ein weiteres Themenfeld umfasst die Frage, wie man gute Führungskräfte für ihr Engagement und ihr Führungshandeln belohnen kann. Erste Erkenntnisse weisen darauf hin, dass insbesondere die Möglichkeiten zur Mitgestaltung der Organisation als Bestärkung wahrgenommen werden.

2.5.2 Aus- und Fortbildung von Führungskräften 

Im LAFP NRW als zentralem Bildungsträger der Polizei NRW werden neben der Ausund Fortbildung für angehende Führungskräfte ebenso Fortbildungen für erfahrene Führungskräfte aller Laufbahngruppen durchgeführt. Um verlässlich einen Qualitätsstandard sicherzustellen, sind bestimmte Maßnahmen, wie beispielsweise die Führungsfortbildung, obligatorisch auszugestalten, fortzuentwickeln und fortlaufend zu evaluieren. Die Ausbildung für die LG 2.2 bzw. die Durchführung des Masterstudiums „Öffentliche Verwaltung – Polizeimanagement“ erfolgt in enger Abstimmung mit der Deutschen Hochschule der Polizei. In diversen Fortbildungsveranstaltungen werden die für eine erfolgreiche Tätigkeit als Führungskraft erforderlichen Kompetenzen gestärkt und erweitert. Die Führungskräfte werden in verhaltensorientierten Trainings schwerpunktmäßig in den Bereichen Selbstreflexion, Kommunikation, Konflikthandhabung sowie Gruppenphänomene geschult. Aspekte der werteorientierten und salutogenen Führung sind dabei in allen Fortbildungsveranstaltungen als Querschnittsthemen implementiert. 

2.6 Zwischenfazit 

Durch gute Führung werden unter Beachtung der Führungsprinzipien das Verhalten der Beschäftigten untereinander, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern sowie gegenüber anderen Organisationen und Institutionen positiv beeinflusst. Es wird deutlich, dass der Blick beim Führen auch auf die Bereiche außerhalb der Organisation Polizei zu richten ist. Die Übernahme von Verantwortung durch die Führenden stärkt zugleich das selbstbewusste und werteorientierte Vorgehen der Geführten im Dienst, auch mit Blick auf die demokratische Resilienz. Dabei nehmen die Führungskommunikation ebenso wie die Auswahl und Qualifizierung von Führungskräften besondere Rollen ein. Gute Führung macht somit Führende, Geführte und im Ergebnis auch die Organisation erfolgreich. Die konsequente Nutzung von Führungsinstrumenten und das Anwenden von Handlungsempfehlungen sind für die Gewährleistung einer guten Führung äußerst wichtig. Sie sind Werkzeuge in allen Situationen, insbesondere in solchen, die konsequentes Führungshandeln erfordern.

Anmerkungen zu Fußnoten, Abbildungen und Anlage

Fußnoten: Für die Audiofassung haben wir uns entschieden, auf Fußnoten weitestgehend zu verzichten. Zu finden sind alle Literaturhinweise, Querverweise und Quellenangaben vollständig in der schriftlichen Fassung.

Abbildungen: Abbildungen sind nur in der schriftlichen Fassung zu finden: 

Anlagen: Zu einigen Themen gibt es zusätzliche Anlagen z.B. Informationsbögen oder Vorlagen für Vereinbarungen. Diese sind nur in der schriftlichen Fassung zu finden.

Die schriftliche Fassung können Sie hier aufrufen.  

In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110