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Geldautomatensprenger im Kreis Mettmann
Geldautomaten-Sprengungen werden gefährlicher
Die Ermittlungskommission Heat des LKA NRW geht erfolgreich gegen skrupellose Täter vor, die inzwischen vermehrt Sprengstoff einsetzen.
LKA NRW

Aufgrund der Grenznähe zu den Niederlanden und der Vielzahl von Tatgelegenheiten (ca. 11.000 verbaute Geldausgabeautomaten [GAA]) stellt sich NRW seit Jahren als das am stärksten betroffene Bundesland im Bereich der Sprengung von Geldausgabeautomaten heraus. In den zurückliegenden Jahren ist es in NRW, insbesondere durch die Einrichtung der EK Heat und die enge Kooperation mit niederländischen Behörden, zu besonderen Ermittlungserfolgen (161 Festnahmen) gekommen.

 

Marokkanisch-niederländische Tätergruppe mit sehr hoher krimineller Energie

Die Ermittlungen der EK Heat des Landekriminalamtes NRW ergaben, dass die Täter überwiegend aus marokkanischen-niederländischen kriminellen Gruppen stammen, die vorwiegend in und um Utrecht, Rotterdam und Amsterdam leben. Die niederländische Polizei schätzt den Kreis auf rund 500 bis 700 Personen. Bei einer Tätergruppierung in dieser Größenordnung handelt es sich nicht mehr um eine leicht überschaubare geschlossene Täterstruktur, zumal die Szene durch ständige Rekrutierung und Erweiterung wächst und wechselt.

Bei diesem fluiden, aber in wesentlichen Begehungsformen sich untereinander abstimmenden Netzwerk, handelt es sich um eine professionelle und lernende Täterstruktur, in der die einmal gemachten Fehler bzw. die daraus abzuleitenden Lehren innerhalb der gesamten Struktur vermittelt werden. Die Täter sind überwiegend männlich, zwischen 18 und 35 Jahre alt. Sie sind oftmals sehr polizeierfahren, reagieren sensibel auf verdeckte polizeiliche Maßnahmen und lernen ständig dazu.

Nach der Tat flüchten die Kriminellen bevorzugt mit hochmotorisierten gestohlenen Fahrzeugen aus dem Hochpreissegment und zeigen ein extrem rücksichtsloses Fluchtverhalten unter Inkaufnahme von Eigen- und Fremdgefährdungen. Der Zugriff auf diese Fahrzeuge erfolgt legal, unter Nutzung von Mittelsmännern, über Autoverleihfirmen oder illegal über Diebstähle und stellt für die Täter ebenfalls keine Hürde da. Die Beutesummen und die Sachschäden, die durch diese Taten begangen werden, liegen im Bereich von mehreren Millionen Euro.

 

Sprengstoff statt Gas

Während die Täter in den Jahren 2015-2018 GAA fast ausschließlich mittels Gas sprengten, ist seit dem Jahr 2019 vermehrt der Einsatz von Explosivstoffen festzustellen. Im Jahr 2021 wurden bereits mehr als 2/3 der Taten in NRW mittels so genannter „Blitz-Knall-Körper“ begangen. Hierbei erlangten die Täter in über 50% der Fälle Zugriff auf den Bargeldbestand.

Die im Jahr 2022 bisher erfolgten Taten wurden in ca. 87% der Fälle unter Verwendung von Explosivstoffen durchgeführt.

Bei der überwiegenden Anzahl der Fälle werden durch die Täter zwei Sprengungen durchgeführt. Zunächst wird der „Kopf“ des GAA mit einer ersten Sprengung geöffnet, um dann im Rahmen einer zweiten Sprengung ein so genanntes „Fascia-Paket“ einzuführen und umzusetzen. Aufgrund der deutlich höheren Sprengwirkung von Explosivstoffen im Vergleich zu Gassprengungen entstehen regelmäßig hohe Schadensbilder an Gebäuden und der umliegenden Infrastruktur mit unkalkulierbaren Gefahren für unbeteiligte Dritte sowie eingesetzte Kräfte.

Bei einer Vielzahl von Sprengungen sind im Nachgang Feuerwehr und Statiker hinzuzuziehen, um zu beurteilen, ob für die betroffenen Gebäude Einsturzgefahren bestehen.

Durch die Möglichkeit von nicht umgesetzten Sprengstoffresten am Tatort wird über die Leitstellen der Kreispolizeibehörden (KPB) NRW regelmäßig die Tatortgruppe Sprengstoff des LKA NRW angefordert, um Risiken für Einsatzkräfte und unbeteiligte Dritte einschätzen und ggf. minimieren zu können.

Bei Sprengungen von GAA mittels Explosivstoff ist mit einer hohen Splitterwirkung, dem teilweise weitläufigen Exportieren großflächiger und schwerer Trümmerstücke sowie mit einem größeren Radius des Schadensfeldes zu rechnen. Die hierbei durch Detonation angetriebenen, teils massiven und scharfkantigen, Trümmerteile erreichen Durchschlagskräfte, denen auch massiv verbaute Hauswände oder Fensterscheiben nicht standhalten.

Daher können zukünftig erhebliche Gefahren für Leib und Leben unbeteiligter Dritter nicht ausgeschlossen werden. In der Prognose werden die Hinzuziehung von Feuerwehr und Statikern sowie die Anforderungen der Tatortgruppe Sprengstoff des LKA NRW nach erfolgten Sprengungen weiterhin zunehmen.

 

Erfolgreiche Ermittlungen der EK Heat

Mit Einrichtung der EK Heat hat das LKA NRW Ende 2015 die landesweite Koordinierung von Ermittlungsmaßnahmen und die einheitliche Ermittlungsführung zur polizeilichen Aufgabenwahrnehmung übernommen. Schon 2015 hat die EK Heat den Schwerpunkt auf das Erkennen und Zusammenstellen von Tatserien gelegt, um personenorientierte Ermittlungen in Zusammenarbeit mit den niederländischen Ermittlungsbehörden durchführen zu können. Daneben war von Anfang an klar, dass neben diesen Ermittlungen eine starke Prävention unter Einbeziehung der positiven Erfahrungen der niederländischen Polizei und Banken notwendig ist.

Mit Beteiligung der EK Heat konnten seit 2015 insgesamt 161 Tatverdächtige in NRW und in den Niederlanden festgenommen werden.

 

NRW ist Vorbild für die bundesweite Konzeption GAA-Sprengungen

Die EK Heat hat sich in NRW und über NRW hinaus als zentraler Ansprechpartner für das Kriminalitätsphänomen GAA-Sprengung etabliert. Dies gilt in besonderem Maße für die Koordinierung von operativen Maßnahmen und Ermittlungsschritten mit den niederländischen Ermittlungsbehörden, da niederländische Tatverdächtige die Grenze vorwiegend im Bereich NRW übertreten.

Die EK Heat prüft selbstständig und fortlaufend weiterführende, alternative oder noch nicht angewandte Ermittlungsmethoden hinsichtlich ihrer Praktikabilität und Nutzbarkeit bei der Bekämpfung des zugrundeliegenden Phänomens.

 

Entwicklung der GAA-Sprengungen in NRW

IIn Deutschland wurde erstmals 2005 in Köln ein Geldautomat (GAA) durch Einleiten und Zünden explosiver Gasgemische gesprengt. Einen deutlichen Anstieg der Fälle verzeichnete NRW seit 2015, weil sich dieses Phänomen durch Verdrängung aus den Niederlanden in das deutsche Grenzgebiet in den Raum Aachen verlagerte. Die niederländische Polizei hatte mit den dortigen Banken (insgesamt vier Bankinstitute) ein umfangreiches Präventionskonzept zur Sicherung von Geldautomaten erarbeitet und so die Tatgelegenheiten erheblich minimiert. Daneben sind aber auch andere Tätergruppen, z.B. aus dem osteuropäischen Raum und sogenannte Nachahmer unterwegs, die aber in NRW derzeit keinen Schwerpunkt darstellen.

 

Prävention setzt auf die Sicherung der Geldautomaten und der Standorte

Im Oktober 2015 hat das LKA NRW die ersten Handlungsempfehlungen für Betreiber von Geldautomaten herausgegeben. Aufgrund eigener Erkenntnisse, dem Informations- und Erfahrungsaustausch mit den Herstellern von Geldautomaten, den Herstellern von Sicherheitstechnik, Vertreterinnen und Vertretern der Versicherungsbranche, der deutschen und niederländischen Kreditwirtschaft sowie der niederländischen Polizei hat das LKA NRW diese Handlungsempfehlungen fortlaufend aktualisiert.

Diese Erkenntnisse sind im März 2019 durch die bundesweite Projektgruppe „Geldautomatensprengungen“ der Kommission Polizeiliche Kriminalprävention in den bundesweit gültigen Maßnahmenkatalog zur Sicherung von Geldautomaten eingeflossen und von der Innenministerkonferenz verabschiedet worden. Alle Betreiber wurden dabei regelmäßig auf die Gefahren durch die Sprengangriffe hingewiesen und eindringlich zur Umsetzung von Sicherungsmaßnahmen aufgefordert. Mit dem Ausweichen der Täter auf weniger gesicherte Geldautomaten veränderte sich der Fokus der Präventionsanstrengungen. Das LKA NRW hat im April 2020 Gespräche mit dem Handelsverband NRW geführt, der als Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband die Interessen von über 100.000 Einzelhandelsbetrieben vertritt. Den angeschlossenen Verbänden hat der Handelsverband NRW ein vom LKA NRW erstelltes Infoblatt „Risiken durch die Sprengungen von Geldautomaten - Hinweise für die Vermieter von Stellflächen für den Betrieb von Geldautomaten“ mit dem Ziel bereitgestellt, die Vermieter für die Risiken durch schwach gesicherte Automaten zu sensibilisieren. Im Ergebnis soll zur Vermeidung von Kollateralschäden das Aufstellen nur dann zugelassen werden, wenn eine ausreichende Sicherung vorhanden ist. Das LKA NRW führt darüber hinaus regelmäßig Gespräche mit den Sachversicherern der Betreiber von Geldautomaten, um auf die erhöhte Gefährdung der durch die Kreispolizeibehörden in NRW identifizierten Risikostandorte hinzuweisen. Daraus resultierende Ergebnisse hat das LKA NRW zeitnah allen Vertreterinnen und Vertretern der Kreditwirtschaft erläutert und Umsetzungsempfehlungen zur Verfügung gestellt. Das LKA NRW passt seine Handlungsempfehlungen regelmäßig den veränderten Tatbegehungsweisen an.

„Wir wollen so konsequent die Tatgelegenheiten reduzieren“, erläutert Detlev Boßbach, Leiter des Dezernats für Organisierte Kriminalität im LKA NRW. „Nur durch die konsequente Umsetzung unserer Präventionsempfehlungen durch die Betreiber von Geldautomaten kann die Gefährdungslage reduziert werden“ appelliert Ralf Kluxen, Leiter des u.a. für Kriminalprävention zuständigen Dezernats.

 

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